Ursprünglichen waren die Geschäftsmodelle von Ebay und Amazon unterschiedlich: Ebay stellte eine Versteigerungsplattform zur Verfügung und hat Auktionen zu einem breiten Massenphänomen werden lassen. Amazon dagegen startete als Online-Buchhändler und dehnte sein Sortiment immer weiter aus. In der letzten Zeit bewegen sich beide Unternehmen bezüglich Ihrer Positionierung weiter aufeinander zu, um in neuen strategischen Geschäftsfeldern weiteres oder neues Wachstum zu generieren.
Ebay möchte sich sukzessive in eine Shopping-Site umwandeln, ohne dabei seine Auktionskompetenz zu verlieren. Mit dem Ergebnis: Der Anteil des Festpreis-Geschäftes beträgt mittlerweile schon fast 40 Prozent des Gesamtumsatzes von Ebay. Auch für die wichtige Zielgruppe der Power-Seller verlagert Ebay die Kosten jetzt wesentlich stärker auf die Verkaufsprovisionen, um das Angebot an neuwertigen Produkten zu Festpreisen auf dem Marktplatz deutlich zu erhöhen.
Dies ist vermutlich eine Reaktion auf Konkurrenten wie Amazon, die erst beim Verkauf des Produktes eine Provision berechnen, aber keine Einstellgebühr verlangen. Aber zu welchem Preis? Mit dieser Neupositionierung besteht das Risiko, dass der Charme des weltweit größten Auktionsportals verloren geht und sich Ebay sukzessive zu einem normalen Internet-Portal entwickelt.
Und Amazon? Amazon ist mittlerweile der weltgrößte Onlinehändler und weit aus mehr als ein Online-Buchhändler. Das Unternehmen erwirtschaftet einen Großteil seiner Erlöse längst nicht mehr mit Büchern. Der Umsatz von Elektronik und anderen Waren des immer breiteren Sortiments beträgt bereits fast 40 Prozent des Konzernumsatzes. Darüber hinaus tritt das Unternehmen verstärkt als Vermittler auf, also Amazon bringt nur Käufer und Verkäufer zusammen. Konsequenz: Der Internet-Einzelhändler hat sich zu einem direkten Konkurrenten von Ebay entwickelt.
Amazon will mit Online-Auktionen und Gebrauchtartikeln einen immer größeren Kundenkreis erreichen und die Umsätze weiter ausbauen. Darüber hinaus greift das Unternehmen direkt den Internet-Marktplatz Ebay an und versucht, dessen Händler abzuwerben. Künftig können Verkäufer ihre Produkte von Amazon lagern und ausliefern lassen – und zwar unabhängig davon, ob sie ihre Ware dort anbieten. Das sind Dienstleistungen, die Ebay nicht bieten kann!
Das Ziel sowohl von Amazon als auch Ebay lässt sich einfach formulieren: Beide wollen zu einem multifunktionalen Megamarktplatz werden, der bei Internet-suchen die erste Anlaufstelle im Netz ist. Amazon kann sich auf seine effiziente Technologie und hohe Abwicklungs-kompetenz verlassen. Aber Ebay? Technologisch hat das Unternehmen viele Probleme noch nicht gelöst. Die Power-Seller sind unzufrieden.
Die Meldungen der letzten Monate unterstreichen die aktuellen Probleme: Das Internetauktionshaus geht zum ersten Mal in seiner Geschichte von einem Umsatzrückgang aus und seit Jahresbeginn verlor das Unternehmen mehr als die Hälfte seines Börsenkurses. Ferner will Ebay weltweit zehn Prozent seiner Stellen streichen. Rund tausend Arbeitsplätze sollen wegfallen, darunter insbesondere auch Jobs im Marketing in Deutschland.
Ebay vermittelt den Eindruck, dass das Unternehmen einen eigenen zentralen Erfolgsfaktor im Wettbewerb vernachlässigt – und zwar das Marken-Management. Ebay ist eine hoch emotionalisierte Marke. Da stellt sich die Frage: Kann eine Zentralisierung des Marketings von Berlin nach Zürich die Probleme lösen?
Dass Stefan Groß-Selbeck bei solchen Rahmenbedingungen die Flucht nach vorne angetreten und das Unternehmen verlassen hat, ist nachvollziehbar. Schade nur für Ebay in Deutschland und Amazon wird sich freuen!
Über den Autor: Ralf Strehlau ist Inhaber der Anxo Management Consulting, Düsseldorf.