Antworten gibt die Grundlagenstudie auf Fragen nach der Verbindung zwischen unterschiedlichen Medienkanälen, den Motiven und Nutzungsverfassungen und den Auswirkungen auf das Wirtschaftssystem der Medien als Ganzes. Als erstes Ergebnis konnten drei zentrale Formen der Mediennutzung identifiziert werden, die über alle Medien, Geräte und Gesellschaftsschichten existieren. Wichtiges Kriterium zur Unterscheidung dieser Formen ist deren Umwelt- und Alltagsbezug, wobei die sogenannte hybride Nutzung schon heute dominiert. Diese hybride Mediennutzung begleitet und strukturiert den Alltag und ist in soziale Aktivitäten und die Kommunikation über soziale Netzwerke bereits fest eingebunden. Sie bietet nicht nur Lifestyle-Orientierung, sondern ersetzt häufig Familie und Freunde.
Die hybriden Mediennutzer bevorzugen eine geringere Involvierung und wechseln schnell die Aufmerksamkeit zwischen oftmals parallel genutzten Medien. Sie stehen der Mediennutzung grundsätzlich positiv und konsumfreudig gegenüber, verfolgen technologische Innovationen und kaufen gerne neue Geräte und Programme. Dagegen verliert die klassische Mediennutzung mit ihrer bewussten Abgrenzung zur Umwelt und hohen Involvierung zunehmend an Bedeutung, hierunter fällt etwa der TV-Spielfilm, die Romanlektüre, das Hörbuch sowie der Konzert- oder Kinobesuch.
Auf dieser Basis konnte eine neue Typologie von zwölf Mediennutzungstypen entwickelt und damit die Beschränkungen traditioneller Segmentierungen nach Milieus überwunden werden. So findet sich etwa bei dem Typus „Medien- und Komplexitätsreduzierer“ eine kultur- oder technologiekritische Einstellung gegenüber der Mediennutzung, aber auch eine Überforderung mit Technik und Vielfalt. Die Gruppe der „traditionellen Digital Immigrants“ mit ihrer Vorliebe für traditionelle Medien und Geräte hat sich durch positive Erfahrungen mit digitalen Medien in Teilen bereits in neue Nutzungstypen verlagert. Dazu gehören etwa die „Spätdurchstarter“, zum Beispiel Nutzer mit dem Tablet als erstem Computer, oder die „Familienmanager“, die mit Hilfe der Medien Familie und Alltag organisieren. Damit verliert auch die übliche Trennung von Digital Immigrants und Digital Natives an Relevanz.
Während die „managerisierte Mediennutzung“ noch sehr deutlich von den beruflichen Anforderungen bestimmt wird, ist bei den „Home-Office Medienabgelenkten“ die Mediennutzung bei einem stetigen Wechsel zwischen Beruf und Privatem bereits allgegenwärtig. Parallelnutzung und ständiger Wechsel der Aufmerksamkeit sind hier stark ausgeprägt. Die Verschmelzung von Alltag und Medien schließlich findet bei der „Social Community Identität“ durch die fortlaufende und tagesbegleitende Interaktion mit der Community statt. Diese bestimmt auch maßgeblich die Mediennutzung, während bei dem Typus „Leben im Netz“ die kontinuierliche Nutzung von Medienangeboten über alle verfügbaren Kanäle und Geräte im Zentrum steht. Medien und deren Inhalte haben den Alltag bereits vollständig absorbiert.
Die „Smart Devices“ genannten Tablets und Smartphones spielen bei der Ausweitung der hybriden Mediennutzung eine Schlüsselrolle. Sie vereinen Rezeption und Kommunikation, sind immer dabei und einsatzbereit und fördern die Parallelnutzung und Interaktion. Dies erklärt nicht nur deren schnelle, globale Akzeptanz im Markt (Einführung iPhone: 2007, iPad: 2010), sondern auch deren noch offenes Potenzial bei bisherigen Marktanteilen von lediglich fünf bis 25 Prozent in Deutschland. Damit wird die strategische Bedeutung dieser Geräte für die Medienbranche und damit für neue Geschäftsmodelle untermauert.
Eine weitere, wesentliche Rolle in der hybriden Mediennutzung spielen die sozialen Medien. Sie finden sich in fast allen Mediennutzungstypen wieder und sind somit in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Geschäftsmodelle ohne Integration von Social Media werden zukünftig keine Massen mehr erreichen und somit an Relevanz in der Vermarktung verlieren. Die wirtschaftliche Bedeutung wird nicht nur durch deren schnell wachsende Reichweite, sondern vor allem durch deren Lenkung der Mediennutzung deutlich. Die Community kann zunehmend die Sender-Funktion traditioneller Medien ersetzen und dient dann als persönlicher Nachrichten-Filter, etwa bei Social Readern. In letzter Konsequenz können soziale Medien die Mediennutzung vereinnahmen, indem Angebote nur noch über deren Plattformen genutzt werden können. Damit werden heutige Geschäftsmodelle herausgefordert und Erlösströme umgelenkt. Die sozialen Medien haben somit das Potenzial, die heutigen Leitmedien sukzessive als Gatekeeper abzulösen.
Die Autoren der Studie sind Dr. Marcus Hochhaus, Nymphenburg Consulting, und Dirk Ziems, Concept M.