Doch die Werbung im Internet bekommt den Daumen nach unten. Die Klickraten sinken seit Jahren ins Bodenlose. Was passiert? Nichts … Auf den Websites blinken immer noch die gleichen Banner, die niemand sehen will. Immer mehr Adblocker verhindern die Auslieferung der nervigen Reklame, was alleine der Süddeutschen nach eigener Aussage siebenstellige Werbeerlöse kostet. Was passiert? Nichts … Die Onliner haben dazu offenbar keine Meinung, geschweige denn eine Lösung.
Während die deutschen Onliner selig vor sich hindösen, erfahren wir aus den USA, dass bis zu 60 Prozent des Internet-Traffics auf Bots zurückzuführen ist. Und dass nach Aussage des US-Branchenverbandes Interactive Advertising Bureau geschätzte 36 Prozent des gesamten Daten- und Klick-Verkehrs betrügerischen Ursprungs ist.
Kein Wunder also, dass der Chef der amerikanischen Association of National Advertisers dem Wall Street Journal sagt: „Wenn man Bots, betrügerische Klicks und den Mangel an Transparenz zusammennimmt, wird die Gesamtrechnung des Werts von digitalen Medien komplett in Frage gestellt.“ Scheinbar glauben unsere Onliner allen Ernstes, dieses Problem beschränke sich alleine auf den US-Markt, denn auch hierzu schweigen sie. Der Volksmund sagt: Keine Antwort ist auch eine Antwort.
Online-Werbung: Ein billiger Abklatsch
Unsere aktuelle Diskussion um die sinkenden Facebook-Reichweiten der Markenseiten besteht zwar aus Empörung und Abwanderungs-Absichten, aus gegenseitigen Vorwürfen, das Medium nicht zu verstehen, nicht aber aus Lösungen. Peter Figge, CEO der Kreativschmiede Jung von Matt, bezeichnet die Facebook-Posts als „reine Unterbrecherwerbung – und zwar noch heftigere, als wir sie aus dem linearen Fernsehen kennen.“
Figge hat Recht. Wenn man sich die Online-Werbung ansieht, dann sieht man nichts als Murks. Im Internet herrscht der absolute Werbe-Stillstand. Die Werbung, die „ausgeliefert“ wird, ist nichts weiter als ein billiger Abklatsch wohlbekannter, alter Werbemittel. Als Banner erfunden wurden, waren sie kaum mehr als die Streichholzschachtel-Werbung der 60er Jahre: Kleine Plakate, die inzwischen etwas größer wurden und blinken. Man hat sie lediglich zu „Display“ umgetauft. Welch Revolution! Und da auf den mobilen Endgeräten weniger Platz für Werbung ist, hat man sie einfach zu noch winzigeren Plakaten verkleinert. Welch Revolution!
Das sogenannte „Bewegtbild“ ist meist nichts weiter als eine billige Adaption des guten, alten TV-Spots, der lediglich in „Pre-Roll“ umgetauft wurde und nun in den Mediatheken sein Unterbrecher-Dasein fristet. Welch Revolution! Bei Facebook und Twitter glauben wir ernsthaft, wir könnten die Nutzer durch Marken-Posts, die etwa so langweilig sind wie die meisten Radiospots, vom Socializing abhalten.
Das alles ist eben keine Revolution. Es ist noch nicht einmal eine Evolution zu erkennen. Und es könnte einem auch egal sein. Wäre da nicht der unangenehme Beigeschmack, dass wir damit täglich Millionen verbrennen. Es ist schon erstaunlich, was Werbekunden alles mit sich machen lassen.
Hat das Internet als jüngstes „Medium“ es nicht verdient, dass wir dafür auch neue Werbewege und Werbemittel erfinden? Sehen wir in der digitalen Werbewelt eine einzige neue Werbeform, die wirklich für Online entwickelt wurde? Fehlanzeige. Wir sehen das, was findige Werber im letzten Jahrhundert an Werbemitteln erfunden haben: Anzeigen, Plakate und Spots. Nur, dass sie heute Display, Skyscraper, Medium Rectangle und Bewegtbild heißen.
Online, das sollten wir inzwischen verstanden haben, ist kein Medium. Online ist ein Träger für Medien. Wir können uns hier nicht so einfach mit Werbung einschleichen, wie wir es bei der ritualisierten Nutzung der analogen Medien gemacht haben. Im Internet gibt es kein ritualisiertes „morgens Zeitung lesen“, „im Auto das Radio einschalten“ und „um acht Uhr gibt’s Tagesschau“.
Online ist ein 24/7-Dialogmedium. Social Media erst recht. Wenn wir nicht endlich beginnen, im Internet einen Dialog mit den Nutzern zu führen, wird Online das erste Werbemedium, das stirbt, bevor es überhaupt zu leben begann. Wir können es meinetwegen gern „Content Marketing“ nennen. Egal. Hauptsache, es passiert endlich etwas. Hauptsache, die Onliner erheben endlich einmal ihre Stimme. Und zwar mit neuen Lösungen.
Über den Autor: Thomas Koch, Gründer der Mediaagentur tkm und Ex-CEO von tkmStarcom, ist heute Mediaberater (tk-one) und Partner bei Plural Media Services.