Nicht alle muss man nachvollziehbar finden. 52 Prozent aller weißen Frauen wählten in den USA einen Mann mit einem offenkundigen Sexismus-Problem. Aber auch die Gen Z wählte Trump. Eine Entwicklung, die an die Wahlergebnisse in drei ostdeutschen Bundesländern erinnerte, wo unter Erstwähler*innen die AfD stärkste Kraft wurde.
Ja, ein Klischee muss auf den Prüfstand: das der Gen Z als extrem progressiver Generation. Sehr vieles spricht dafür, dass die Realität etwas komplexer ist. Denn durch die Gen Z geht ein Riss. Einem durchaus aufgeklärten, nachhaltig denkenden, tendenziell weiblichen Gen-Z-Segment steht ein mindestens so großes männliches Bro-Segment gegenüber. Eines, das nicht minder digital unterwegs ist, das aber statt Charli XCX Andrew Tate und Elon Musk gut findet.
Teile der Gen Z haben Verlustgefühle
Gemeint ist diesem anderen Gen Z Segment, dass es das Gefühl hat, etwas zu verlieren. Und zwar die Privilegien, die in der Väter- und Großvätergeneration noch normal waren. Mit der daraus resultierenden Wut lassen sich Wahlen gewinnen.
Trumps 18-jähriger Sohn Barron soll federführend bei der Vernetzung seines Vaters mit wichtigen rechten Meinungsführern tätig gewesen sein. Während Kamala Harris‘ den „brat Girl Summer“ feierte, trat Trump in Joe Rogans Podcast auf. Der hatte mehr als 46 Millionen Hörer (gendern unnötig) und damit eine Reichweite wie mehrere Prime-Time-Shows aus der guten alten Zeit.
Toxische Gegenkultur zur inklusiven Welt
„Bro Culture“ nennt sich die oft toxische Gegenkultur, die erklärt, dass junge Männer alles haben können, wenn sie sich nur nicht vor der inklusiven Welt beugen: Lamborghini, schöne Freundin, teures Haus. Nein, die Werte der libertären „Alphamänner“ sind nicht sehr tiefgehend, aber sie versprechen den Jungs etwas. Und sie zeigen, wie man das bekommt: „Lass dir nicht einreden, dass du lieb, soft, schwach und links zu sein hast“, doziert der geschasste AfD-Kandidat Maximilian Krah in einem viral gegangenen Tiktok-Video: „Echte Männer sind rechts. Dann klappt’s auch mit der Freundin.“
Krahs Appell richtet sich an das Selbstbewusstsein junger Männer. Ein smarter Schachzug, denn tatsächlich waren die noch nie gut darin, ihre Gefühle zu kommunizieren. Neue Studien zeigen, dass es auch Jungs sind, deren mentale Gesundheit langfristig am meisten unter den Lockdowns der Pandemie gelitten hat. Viele Gen-Z-Männer stecken in einer Selbstbewusstseinskrise, weil es zu wenige konstruktive männliche Role Models gibt. Das weiß der rechte Rand. Und zunehmend wird offensichtlicher, dass sich auch der Rest der Gesellschaft damit beschäftigen sollte. „Wann ist ein Mann ein Mann?“, sang Grönemeyer 1984. 40 Jahre später müssen die Demokratien darauf wieder eine Antwort finden, um sich selbst zu retten.