Alkoholfreie Drinks: Nische oder längst Mainstream? 

Immer mehr Brands setzen auf alkoholfreie Alternativen zu Wein, Bier und Co. Doch wie einfach ist ihr Markteintritt und welche Marketingstrategie verfolgen sie?
Geselligkeit und Alkohol gehen in unserer Gesellschaft oft Hand in Hand – doch das muss nicht so sein. Immer mehr Hersteller alkoholfreier Drinks beweisen, dass Genuss auch ohne Promille möglich ist.
Geselligkeit und Alkohol gehen in unserer Gesellschaft oft Hand in Hand – doch das muss nicht so sein. Immer mehr Hersteller alkoholfreier Drinks beweisen, dass Genuss auch ohne Promille möglich ist. (© No & Low)

In den Großstädten eröffnen immer mehr Reformer-Pilates-Studios, Nahrungsergänzungsmittel sind aus Daily Routines nicht mehr wegzudenken und Smoothies werden mit Kollagen-Pulver gepimpt. Wellbeing ist keine Nische mehr, sondern Mainstream.  

Vor allem junge Menschen achten sehr auf ihre Gesundheit. Folglich spielt auch Alkohol immer seltener eine Rolle. Eine YouGov-Studie aus dem Jahr 2022 fand heraus, dass 49 Prozent der Gen Z in Deutschland gar keinen Alkohol trinkt. Der Verzicht ist begrüßenswert, trotzdem wollen die wenigsten auf Drinks verzichten.  

Das Geschäft ohne Alkohol: Aller Anfang ist schwer 

Vor sechs Jahren hat Philipp Rößle dieses Bedürfnis erkannt und Kolonne Null gegründet, eine Marke für alkoholfreien Wein. Er erklärt: “Damals steckte der Markt für alkoholfreie Weine noch in den Kinderschuhen. Die Idee war, einen Wein zu entwickeln, der auch ohne Alkohol die Charakteristik und die Aromen eines Weins mit sich bringt und ein Genuss bei allen Anlässen ist – ohne die anschließende Reue.”  

Kolonne Null setzt auf die Entalkoholisierung durch Vakuumdestillation. So wird dem Ausgangswein bis auf einen Restalkoholgehalt von 0,3% der Alkohol entzogen.
Kolonne Null setzt auf die Entalkoholisierung durch Vakuumdestillation. So wird dem Ausgangswein bis auf einen Restalkoholgehalt von 0,3% der Alkohol entzogen. (© Kolonne Nulle)

Im ersten Jahr hätten Winzerinnen und Winzer keinerlei Verständnis und Interesse dafür gehabt. Das habe sich bereits im zweiten Jahr geändert, selbst Top-Winzereien hätten bei Rößle angerufen. 

Für neue Brands ist der Markteintritt härter 

Da hat es Somersby deutlich leichter. Die Cider-Dosen stehen in jedem gut sortierten Supermarkt. Nun reiht sich das neue Somersby Zero mit den Geschmacksrichtungen Apple und Yuzu mit Lemon als alkoholfreie Alternative ohne Zucker und Kalorien mit ein. Um diese zu promoten, verfolgen sie laut Lennart Holfert, dem Brandmanager von Somersby, eine dreigleisige Strategie: “Wir an mehreren Touchpoints aktiv. Neben einer Plakatkampagne in Fokusstädten wird es eine nationale Digitalkampagne und eine Gratis-Testen-Aktion im Handel geben. Außerdem werden wir viele Probierkontakte auf Events und über diverse Sampling-Touchpoints generieren.” 

Getränke-Marke Somersby setzt bei der Bewerbung ihrer alkoholfreien Getränke auf eine farbenfrohe Ansprache.
Getränke-Marke Somersby setzt bei der Bewerbung ihrer alkoholfreien Getränke auf eine farbenfrohe Ansprache. (© Somersby) 

Für alkoholhaltige Getränke gibt es teils strenge Richtlinien für die Bewerbung – die für alkoholfreie Varianten entfallen. So wäre es für Somersby denkbar und deutlich einfacher, sich beispielsweise in aktiveren, sportlichen Freizeitbeschäftigungen zu etablieren. 

Alkoholisch oder alkoholfrei: kein Konkurrenz-Denken  

In Bezug auf Positionierung und Geschmack stellen die alkoholfreien Drinks also eher eine Alternative dar. Denn in Konkurrenz sollen die Varianten nicht zueinander stehen. Philipp Rößle formuliert es so:  “Wir sehen uns beziehungsweise unsere Produkte als Teil der Weinwelt und wollen nicht einfach nur eine alkoholfreie Getränke-Company sein, weil für uns die Verbundenheit zum Ausgangsprodukt, einem traditionell erzeugten Wein, essenziell ist.” 

Diese Richtung wollen sie weiter forcieren und haben deshalb im letzten Jahr den Grundstein für die eigene Kellerei gelegt. Er sagt: “Um nicht nur im On-Trade, also im Hotel-, Restaurant- und Gastrogewerbe sowie im gehobenen Handel vertreten zu sein, wie beispielsweise im KaDeWe und bei ausgewählten Weinfachhändlern, werden wir explizit für Supermärkte in der Breite in diesem Jahr eine zweite Brand launchen.”  

Alkoholfreie Drinks: Der Markt wächst weiter 

Dass alkoholfreie Drinks längst kein Nischentrend mehr sind, weiß auch Maxime Boillat, Geschäftsführer bei Viniculture: “Wir machen mittlerweile fast 20 Prozent unseres Umsatzes mit alkoholfreien Getränken – nicht nur im Januar.” Allerdings führen sie keinen alkoholfreien Wein im Sortiment, sondern sogenannte Proxies. “Das sind Produkte, die sich an der Idee von Wein anlehnen, aber nicht auf Traubenbasis sind.” Viele davon sind auf Basis von fermentierten Lebensmitteln wie beispielsweise die Getränke von Muri, Feral und Klaar Fruchtfermente.  

Auch Holfert von Somersby bestätigt, dass die Handelspartner großes Interesse an dem neuen Produktkonzept haben. Die Gen Z bekommt also immer mehr Möglichkeiten, alkoholfreie Drinks zu genießen und treibt den Wellbeing-Trend maßgeblich mit an, sodass hoffentlich viele – vor allem ältere Generationen – diesem Vorbild folgen.

(eb, Jahrgang 1993) ist freie Journalistin und kam vom Modejournalismus über Umwege zum Wirtschaftsjournalismus. Sie kann sich schnell für neue Themen begeistern, führt am liebsten Interviews und hasst Stillstand – was das Pendeln zwischen Bayern und Berlin umso leichter macht.