„Airberlin wächst wieder und baut ihr Flugangebot im Sommer 2018 kräftig aus. Mit rund 100 Langstreckenflügen pro Woche bietet airberlin das größte Angebot in ihrer Geschichte an. Passagiere ab Düsseldorf können sich auf zwei neue Ziele im airberlin Streckennetz freuen: Ab 1. Mai 2018 fliegt airberlin viermal pro Woche nach Toronto in Canada. Fünfmal wöchentlich starten die rot-weißen airberlin Jets ab 2. Mai 2018 ab der nordrheinwestfälischen Landeshauptstadt nach Chicago.“ So lauten die ersten Zeilen der Pressemitteilung von Air Berlin am 28. Juli 2017. Zwei Wochen später sieht die Welt bei der maroden Fluggesellschaft ganz anders aus: Etihad will nicht mehr zahlen, zieht sich aus dem Air Berlin-Geschäft zurück. „Wir waren von dem abrupten Ausstieg überrascht und mussten danach schnell handeln“, so Vorstandsvorsitzender Thomas Winkelmann. Ein Rettungsplan musste also her: Der Flugbetrieb wird erst einmal durch einen Kredit des Bundes über 150 Millionen Euro für etwa drei Monate gesichert.
Unternehmenskommunikation mit positiver Meldung
Trotz des wohl kurzfristigen Absprungs Etihads hatte die Unternehmenskommunikation von Air Berlin wohl keinerlei Hinweise darauf, dass dem Unternehmen bald die Geldhähne zugedreht werden. Auf unsere Anfrage, ob es kein Signal von oben gab, solche positiven Meldungen erst einmal nicht zu veröffentlichen, reagierte Air Berlin nicht.
Air Berlin CCO Götz Ahmelmann schrieb noch Ende Juli in einer Pressemitteilung: „Wir schreiben das erste Kapitel der Erfolgsgeschichte der neuen Airberlin: Wir haben drei zusätzliche Langstreckenflugzeuge in unserer Flotte. Schon jetzt sind wir der größte Anbieter für USA-Flüge in Nordrhein-Westfalen und Berlin. Und wir expandieren weiter. Das USA-Programm um Flüge nach Kanada zu erweitern ist ein nächster Schritt auf dem Weg zum Erfolg“. Das Management hat die Kommunikationsabteilung scheinbar nicht wirklich über den aktuellen Stand informiert – schließlich gehen die Gerüchte einer Insolvenz seit März rum, als bei Air Berlin immer wieder Verbindungen ausgefallen oder Flüge mitunter große Verspätungen hatten. Eine Sprecherin schloss damals sogar eine Pleite aus. „Eine Insolvenz ist kein Thema für uns“, sagte sie der Nachrichtenagentur AFP. Dazu ließ die zweitgrößte deutsche Airline schon seit Juni bei den Landesregierungen von Berlin und Nordrhein-Westfalen Möglichkeiten einer staatlichen Bürgschaft prüfen.
Das Problem der Reiseveranstalter
Einige Reiseunternehmen, die mit Air Berlin vor allem die USA und Kanada anfliegen, müssen nun abwarten, ob die neue Route tatsächlich angeflogen werden kann. Haben Kunden über einen Reiseveranstalter gebucht, kommt dieser für neue Flüge auf. Ob Kunden auch ihr Geld zurück erhalten, wenn sie über die Online-Seite von Air Berlin gebucht haben, ist fraglich. Jochen Szech von der Allianz Selbstständiger Reiseunternehmer befürchtete schon im Juni im Fall einer Insolvenz einen Dominoeffekt. „Wir brauchen eine Absicherung für mittelständische Reiseanbieter“, sagt er gegenüber der WELT. Im Fall einer Pleite sieht es für mittelständische Reiseunternehmen nicht gut aus. Sie bekämen von den Vorauszahlungen voraussichtlich nur wenig zurück und gerade bei Pauschalreisen kämen Forderungen in Höhe mehrerer Tausend Euro auf die Reiseanbieter zu. Auch Felix Methmann vom Bundesverband der Verbraucherzentralen sieht ein Risiko und hofft nicht, dass Verbraucher am Ende ihr Geld nicht zurückbekommen: „Wir fordern eine gesetzliche Regelung, nach der sich Fluggesellschaften gegen eine Insolvenz versichern müssen.“ Im Fall einer Insolvenz solle dann die Versicherung einspringen. Die Entscheidung, ob und wann wieder mit einem normalen Flugbetrieb bei Air Berlin gerechnet werden kann, und wann sich Reiseveranstalter und Verbraucher wieder auf ihre Flugpreise und Zeiten verlassen können, liegt nun von den Übernahmeverhandlungen ab – und wie schnell die potenziellen Interessenten das Geschäft übernehmen können.
Außer der Lufthansa soll Ryanair-Konkurrent Easyjet Branchengerüchten zufolge an Teilen von Air Berlin interessiert sein. Auch die Thomas-Cook-Tochter Condor hat Interesse. Langstrecken könnten sich für Air Berlin und den neuen Käufer rechnen: So hat Air Berlin im Vergleich zum Vorjahr am Flughafen Düsseldorf mit 13 Prozent mehr Langstreckenflügen ihre Marktführerschaft weiter ausgebaut. Die neuen Flüge ab Düsseldorf nach Toronto und Chicago sind seit dem 1. August 2017 buchbar, doch ob diese Flieger nächstes Jahr wirklich abheben, das entscheidet am Ende der Insolvenzverwalter.