Von Gastautor Maximilian Hinz, Engagement Manager bei Bloom Partners
Große Unternehmen sind träge, kleine Unternehmen sind smart. Unternehmen wollen agil sein, Hierarchien über Bord werfen und Fehler wertschätzen – wie die Startups, die seit Jahren rasant und erfolgreich den etablierten Marken die Kunden streitig machen und Branchen verändern. Doch das allein ist nur die halbe Wahrheit. Es gibt drei Dinge, die dazu führen, dass Agilität nicht umsetzbar wird:
1. Der Mangel an Überzeugung
Aus Angst, die Entwicklung hin zu einem agilen Unternehmen verpassen, vergessen Organisationen oft, was sie mit Agilität überhaupt erreichen wollten. Warum wurden zur Förderung zwangloser Kreativität alle Krawatten, Bürowände und Bürostühle abgeschafft? Oft scheint die Antwort zu sein: Nur um es stumpf den erfolgreicheren, jungen Unternehmen gleich zu tun. Doch in der Realität vertrauter und gelebter Hierarchien, Prozessen und Quartalsergebnissen wird die Luft für einen agilen Geist dünn, und Agilität zum Hobby einzelner Teams. Agilität wird nur dann zum Motor einer Strategie, wenn agile Strukturen mit Überzeugung dort eingesetzt und kommuniziert werden, wo sie nachweisbar zur verbesserten Wertsteigerung führen. Falls sich das im Tagesgeschäft nicht umsetzen lässt oder keine Relevanz hat, kann Agilität getrost wieder aus den Pressemitteilungen und Jahresberichten gestrichen werden. Denn so verlockend es auch klingen mag, Agilität ist nicht das Allheilmittel für jede Organisation.
2. Der Mangel an Mut
Agilität bedeutet, auf Kundenwünsche effizient, effektiv und mit Leidenschaft zu reagieren. Agilität als Fähigkeit und Mind-Set des gesamten Unternehmens ist eng mit dessen Kultur verbunden. Agilität ist etwas, das sorgfältig entwickelt werden muss, nichts, das sich radikal umsetzen lässt. Als Teil einer neu entwickelten Unternehmensstrategie wird Agilität oft als Arbeitstool verstanden und in Projekte oder kurzfristige Aktionen übersetzt (wie auch Managementtrainings, SCRUM-Crashkurse und eben die Renovierung von Büroetagen). Was aus Mangel an Mut für Veränderung oft unberührt bleibt, ist das eigentliche Herzstück der Organisationen: Verantwortlichkeiten, Prozesse, Arbeitsmethoden und – vor allem – das Denken der Mitarbeiter. Aus Angst vor dem Verlust etablierter Hierarchie-Strukturen, schreckt oft vor allem das mittlere Management vor essentiellen Veränderungen zurück, sodass Agilität nur ein weiteres Buzzword in der PR-Mappe des Unternehmens wird.
Was nötig ist, sind mutige Teamleiter, die mit gutem Beispiel, Authentizität und Autorität vorangehen. Und Vorstände, die sich eher als Gastgeber statt als Aufpasser verstehen, und individuelle Entfaltung und Gestaltung ermöglichen.
3. Der Mangel an Fokus
Auch wenn sich fast jeder Manager gerne mit der Feder schmücken möchte, jetzt agil zu führen und zu arbeiten: Agilität bedeutet bedingungslose Fokussierung auf den Kunden, und agile Methoden müssen dort fokussiert eingesetzt werden, wo messbar ein besseres Ergebnis für den Kunden (intern oder extern) erreicht werden kann. Die ungezielte Einführung agiler Methoden führt zu Überforderung und in der Folge zu Bedeutungslosigkeit. Große Veränderungen werden reduziert auf unbedeutende Maßnahmen (getarnt als „Quick Wins“). Mutige Konzepte werden als mittelmäßige Produkte (getarnt als „Piloten“) auf den Markt gebracht – und letztlich vom Kunden ignoriert. Unternehmen müssen lernen, die Anwendung agiler Methoden auf Bereiche in der Organisation zu konzentrieren, wo sie einen wirklichen Beitrag leisten können. Nicht zur Erreichung persönlicher Ziele, sondern für die Begeisterung des Kunden und letztlich den Wert des Unternehmens.
Wie Agilität auch großen Firmen gelingt
Agilität muss mehr sein, als ein äußerlich aufgetragener Lack auf der Außenseite des Firmen-Headquarters, mehr als ein Accessoire und Lippenbekenntnis. Agilität funktioniert, wenn sie als essenzieller Treiber der Zielerreichung etabliert und in ausgewählten Bereichen der Organisation mit klaren und messbaren Zielen Schritt für Schritt eingesetzt wird.
Das Unternehmen Henkel zeigt mustergültig den Spagat aus strategischer Verankerung und operativer Relevanz von Agilität. Strategisch ist Agilität bei Henkel als Priorität für 2020 fest als Motor für Wachstum und Digitalisierung verankert. Operativ haben agile Methoden für Henkel eine entscheidende und klar definierte Zielsetzung: die Verkürzung von Innovationszeiträumen, die Verbesserung der Produktrelevanz durch frühes Testen auf dem Markt (minimal viable products/MVPs) und die Steigerung der Renditeeffizienz durch optimierte Workflows und Prozesse. In der Implementierung wird der Erfolg davon abhängen, die Brücke zwischen agilen und nicht-agilen Teams und Arbeitsmethoden über die verschiedenen Unternehmensstufen hinweg zu schlagen.
Fünf einfache Prinzipien zur Etablierung von Agilität
– Machen Sie Agilität relevant für Ihr Unternehmen, indem Sie sie als einen notwendigen Bestandteil Ihrer Strategie definieren – verstehen Sie Agilität nicht als PR-Aktion.
– Machen Sie Agilität greifbar für Ihre Mitarbeiter durch Trainings, klar definierte Einsatzbereiche und Ziele – nutzen Sie Agilität nicht als Selbstzweck, sondern als Motor für bessere Ergebnisse.
– Machen Sie Agilität attraktiv, indem Sie Teams feiern, die durch Agilität herausragende Ergebnisse erzielt haben – lassen Sie Agilität nicht zu einer Ausrede für Mittelmäßigkeit werden.
– Machen Sie Agilität langfristig, indem Sie Agilität als Haltung kommunizieren, wie Ihre Mitarbeiter arbeiten, denken und kommunizieren – bewerten Sie die Agilität ihres Unternehmens nicht an der Anzahl der agil durchgeführten Projekte.
– Machen Sie Agilität nachhaltig, indem Sie es Bestandteil Ihrer Unternehmenskultur werden lassen – verstehen Sie Agilität nicht als Maßnahme oder Trend.
Zum Autor: Maximilian Hinz ist Engagement Manager bei Bloom Partners. Bloom Partners ist eine strategische Geschäfts- und Marketingberatung, die Unternehmen dabei hilft, in einer digitalen Welt erfolgreich zu sein. Hinz hat die Internationalisierung der Goldwind Group in China als Assistant Director vorangetrieben. Vor seiner Zeit in China arbeitete er in der ICE & Energy-Praxis eines internationalen Strategieberatungsunternehmens. Er hat einen Master-Abschluss in International Business von der Copenhagen Business School und einen Bachelor-Abschluss in Betriebswirtschaftslehre an der LMU Munich School of Management.