Agentur Pulse: Mit einer Domain für 7,99 Euro fing alles an 

Lara Daniel und Christoph Kastenholz gründeten 2014 Pulse Advertising. Warum das der perfekte Zeitpunkt war, ins Influencer-Marketing einzusteigen, erklären sie in Folge 3 unserer Serie zu Agenturgründungen aus vier Jahrzehnten.
Agentur Pulse Advertising
Die Idee, eigene Learnings auch für andere zu nutzen ordentlich Vertrieb für sich selbst und ein Gespür für den richtigen Zeitpunkt - diese Dinge führten Lara Daniel und Chrisoph Kastenholz mit ihrer 2014 gegründeten Agentur Pulse Advertising zum Erfolg. (© Pulse Advertising)

Frau Daniel, Herr Kastenholz, Sie haben 2014 die Agentur Pulse Advertising gegründet. Wenn man an Gründungen denkt, stellt man sich oft vor, dass die Idee in einem inspirierenden Moment entsteht – vielleicht bei einem Glas Wein, während man über die Zukunft philosophiert. Wie war das bei Ihnen? 

Lara Daniel: Ziemlich genau so! Wir hatten zuvor ein Modeunternehmen gegründet und merkten schnell, dass klassische Werbung uns nicht im Absatz hilft. Also begannen wir, mit Personen zusammenzuarbeiten, die eine hohe Online-Reichweite hatten – den Begriff „Influencer“ gab es damals noch nicht. Wir testeten erste Projekte und stellten fest, dass einige Kooperationen sehr erfolgreich waren, während andere kaum Verkäufe brachten. Dieses Learning trieb uns an, weiterzumachen. Anfangs betrieben wir Marketing nur für uns, dann auch für Freunde. Die finale Entscheidung zur Gründung fiel an einem Sonntagabend. 

Christoph Kastenholz: Wir saßen in Hamburg bei einem Glas Wein im Restaurant und dachten: „Was, wenn wir das auch für andere machen?“ Wir sahen, dass das Modell bei uns funktionierte, also handelten wir sofort – kauften eine Domain für 7,99 Euro und schickten zwei Gewerbeanmeldungen für 20 Euro ab. Lara hat mithilfe von YouTube-Videos eine Webseite gebaut und ich habe Marken angerufen. Nach sieben Tagen hatten wir den ersten Kunden. Plötzlich ging alles schneller als erwartet. Das Modelabel war ziemlich schnell Geschichte und Pulse Advertising geboren. 

Haben Sie da, an diesem Abend, ein richtiges Konzept gemacht?  

LD: Nein. Wir hatten alles an uns selbst getestet und unsere Learnings daraus wollten wir dann für andere nutzen. Wir hatten Insights gesammelt und waren fest davon überzeugt, dass das, was für uns funktionierte, auch für andere funktionieren würde. Das gab uns das nötige Selbstvertrauen, weiterzumachen und für uns selbst Vertrieb zu machen. Am Anfang war das mit Chris eine One-man-Vertriebs-Show. 

Und wer war der erste Kunde, den Sie so nach nur sieben Tagen für sich gewinnen konnten? 

CK: Das war ein Uhren-Label. Aber wir konnten ziemlich schnell verschiedenste Kunden für uns gewinnen. Am Anfang waren das maßgeblich Onlineshops, wo es eben zum Beispiel Uhren, Tee und Dirndl zu kaufen gab.  

LD: Manche Unternehmen waren genauso klein wie wir selbst. Ein früherer Kunde war Gymshark, damals ein Start-up, das heute eine Milliardenbewertung hat. Es war großartig zu sehen, wie diese Unternehmen mit uns gewachsen sind. 

CK: Zu den ersten größeren Kunden, die eine Kampagne gebucht haben, zählte S.Oliver im Dezember 2014. Wir haben im Juli gegründet und hatten im November bereits 100.000 Euro Monatsumsatz gemacht.  

LD: Ungefähr zu dem Zeitpunkt dachten wir: Wenn unsere Kunden unsere Adresse googeln, dann sehen sie, dass wir nur zwei Leute sind, die zusammen in Hamburg wohnen. Weil das Geschäft so vielversprechend wurde, haben wir damals unser erstes Büro angemietet.  

Unser aller 1. Büro in Hamburg
So sah das erste Büro in Hamburg aus. (© Pulse Advertising)

Rückblickend: War 2014 ein guter Zeitpunkt, um mit Influencer Marketing anzufangen? 

CK: Auf jeden Fall. Wir hatten damals den Vorteil, dass der Markt für Influencer Marketing in Deutschland praktisch nicht existierte. 2014 haben wir Marken angerufen, und viele sagten: „Wir sind auf Facebook, Instagram brauchen wir nicht.“ Das war herausfordernd, gab uns aber auch die Chance, eine völlig neue Nische aufzubauen. Anfangs haben vor allem kleinere, visionäre Unternehmen mit uns gearbeitet, die offen für Neues waren. Nach einiger Zeit haben die großen Marken wie Zalando oder die Deutsche Telekom die Relevanz erkannt. Rückblickend war unser Startzeitpunkt also ideal, aber das echte Wachstum kam erst mit der breiten Marktakzeptanz. 

Würde es heute noch so funktionieren, eine Agentur in diesem Bereich zu gründen? 

CK: Heute müsste man es definitiv anders angehen. Es ist nicht falsch, in etablierte Märkte einzusteigen – etwa mit einer besseren Software oder einer innovativen Dienstleistung. Aber die entscheidende Frage ist: Warum sollten Kunden zu mir kommen und nicht zu den bestehenden Anbietern? 

Würden Sie sagen, dass man beim Gründen generell mehr vom Kunden aus denken sollte?  

LD: Absolut! Es ist entscheidend, sich darauf zu konzentrieren, ob es eine echte Nachfrage gibt. Gleichzeitig haben wir damals gelernt, dass Kunden nicht immer sofort erkennen, dass sie etwas brauchen. 2014 war Social Media für viele Unternehmen noch kein großes Thema – wir mussten ihnen erst vermitteln, warum es wichtig ist. Ein gutes Beispiel ist Douglas: Wir haben ihnen früh geraten, Social Media strategisch zu nutzen, aber damals hatten sie andere Prioritäten. 

Wie geht man damit um, wenn ein potenzieller Kunde gar nicht überzeugt ist, dass er das eigene Produkt oder die Dienstleistung braucht? 

CK: Das kann frustrierend sein, aber es gehört dazu. Am Ende ist eine Mischung aus Überzeugung und Anpassung wichtig: Man muss selbst an die eigene Idee glauben, aber auch sicherstellen, dass sie ein echtes Kundenproblem löst. Wenn der Markt noch nicht bereit ist, muss man entweder Aufklärungsarbeit leisten oder herausfinden, welche Probleme die Kunden jetzt dringend gelöst haben wollen. 

Welche Probleme treiben Sie denn aktuell um? 

CK: Besonders spannend ist der Bereich AI & Data: Wir entwickeln eigene Tools, die unseren Kunden mehr Transparenz über den Erfolg ihrer Social-Media-Aktivitäten geben. So können sie besser verstehen, was funktioniert, wie sie Inhalte effizienter produzieren und mit ihrer Community interagieren. 
LD: Außerdem wachsen wir – letztes Jahr waren es über 35 Prozent, dazu haben wir weitere Standorte in Shanghai und Amsterdam eröffnet.


Mittlerweile arbeiten bei Pulse Advertising über 110 Menschen. Die Agentur für Influencer Marketing hat unter anderem Standorte in New York, Mailand (Foto rechts), London und Paris. Kunden sind zum Beispiel Nespresso, die Telekom oder die DFL. (© Pulse Advertising)


Ist diese Internationalität nicht manchmal eine Herausforderung?  

LD: Absolut! Allein im Team gibt es viele Kulturen mit verschiedenen Arbeitsweisen und Kommunikationsstilen. In Deutschland sagt man „Knapp daneben ist auch vorbei“, während es in Australien eher heißt „Fast getroffen ist auch gut“. Solche Mentalitätsunterschiede prägen nicht nur unser Team, sondern auch den internationalen Markt. 

Und Ihr Job macht Ihnen auch heute – fast elf Jahre nach der Gründung – noch Spaß? 

CK: Spaß machen vor allem die Menschen. Die Branche ist extrem dynamisch, und gerade im Austausch mit Kunden und Talenten entsteht viel Energie. Es geht darum, gemeinsam etwas zu bewegen, auf einer Mission zu sein – das treibt uns an. Es ist fast wie im Sport: Man trainiert hart, um irgendwann die Goldmedaille zu holen. Und genau dieser Weg, das Weiterentwickeln und das Team, sind das, was die Freude an unserer Arbeit ausmachen. 

LD: Es macht wahnsinnig viel Spaß. Für mich persönlich ist das Spannendste, dass ich mich ständig weiterentwickeln kann. Ich liebe es zu merken, dass ich dieses Jahr mehr kann als im letzten. Herausforderungen gehören dazu, und es macht mir Freude, Lösungen für Probleme zu finden. 

Laura Schenk (ls, Jahrgang 2002) ist seit August 2023 Werkstudentin bei der absatzwirtschaft und hat immer Lust, sich neuen Themenbereichen zu widmen. Eine besondere Vorliebe hat sie für kubistische Malerei und das Schreiben in all seinen Formen. Ihrer Heimatstadt Leipzig hat sie 2023 sogar einen Kurzgeschichtenband gewidmet. Sie studiert dort Kommunikations- und Medienwissenschaft und engagiert sich crossmedial bei Lokalzeitungen und beim Radio.