Herr Rehbein, Herr Witt, Ihre Agentur Pio haben Sie 2007 gegründet, damals noch unter dem Namen Pioneer PR. Wie sind Sie denn damals zusammengekommen?
Alexander Witt: Wir kannten uns vom Studium, haben gemeinsam an der Uni Leipzig nicht nur Kommunikations- und Medienwissenschaften, sondern auch Sportwissenschaften studiert. Aber auch privat waren wir befreundet und haben uns zum Beispiel bei der Fakultätszeitschrift der Sportwissenschaften engagiert.
Benedict Rehbein: Diese Fakultätszeitschrift der Sportwissenschaften ging damals jedes Jahr gemeinsam Skifahren. Da waren wir immer dabei. Aber in dem Jahr, das war im Januar 2007, gab es eigentlich keinen Schnee. Gefahren sind wir trotzdem und dann gemeinsam wandern gegangen. Also hatten wir viel Zeit, uns zu unterhalten. So entstand die Idee, etwas zusammen zu machen. Man könnte sagen: Wenn es damals in Oberwiesenthal geschneit hätte, hätte es die Agentur vielleicht nicht gegeben.
Sie haben ja nicht nur in Leipzig studiert, sondern danach auch dort gegründet. Warum gerade Leipzig?
AW: Das hatte etwas damit zu tun, dass wir beide schon gearbeitet haben. Uns ist aufgefallen, dass viele von unseren Kommilitonen, die Kommunikationswissenschaften oder PR studiert haben, in andere Städte gegangen sind, weil es vor Ort keine Jobs gab.
BR: Tatsächlich gab es in Leipzig keine etablierten Agenturen im Bereich PR und Kommunikation. Es gab zwar 2007 schon erste größere Ansiedlungen von Unternehmen, aber die waren meist nur Dependancen von Mutterkonzernen. Das bedeutete, dass es vor Ort keine eigenständige Kommunikation gab – und damit auch keine größeren Agenturen. Nach der Wende haben einige größere Agenturen versucht, in Sachsen Fuß zu fassen, indem sie dort Aufträge angenommen haben. Allerdings waren die meisten dieser Versuche auf Dresden konzentriert. Viele haben dort entweder nur eine Briefkastenfirma gegründet oder ein kleines Büro eröffnet, um vor Ort präsent zu sein. Letztlich haben fast alle diese Standorte wieder geschlossen.
In Leipzig, obwohl der Studiengang in PR und Kommunikation an der Universität schon damals sehr stark war und bis heute ist, hat sich keine größere Agentur dauerhaft angesiedelt. Das hat uns sehr beschäftigt. Wir waren optimistisch und haben uns gesagt: Das kann doch nicht sein!
AW: Wir haben eine Lücke oder eine Möglichkeit gesehen, dass die sehr gut ausgebildeten Leute hierbleiben. Und dann haben wir ein halbes Jahr überlegt, wie wir das schaffen können. Wir brauchten ja ein Büro, Mitarbeiter*innen und so weiter.
Pio hat heute beinahe 70 Mitarbeitende. Die Agentur berät Unternehmen und Institutionen in Kommunikation und Employer Branding. So helfen die Mitarbeitenden zum Beispiel dem Unternehmen Kleinanzeigen bei der Neupositionierung oder übersetzen Technologiethemen wie Quantencomputing für QUTAC. Außerdem ist Pio seit Anfang 2025 die neue Agentur des Sächsischen Staatsministeriums für Infrastruktur und Landesentwicklung. Weitere Kunden sind unter anderen Tech-Brands wie TCL Communication, Webfleet, die VNG AG sowie das Travel-Tech-Scale-Up We Road. Im Jahr 2023 machte Pio einen Umsatz von 7 Millionen Euro.

Die Agentur haben Sie dann im August 2007 gegründet. Da stand also ein richtiger Businessplan dahinter?
BR: Ja, genau. Am Anfang haben wir das tatsächlich nach Lehrbuch gemacht. Weil wir frisch vom Studium kamen, hatten wir das nötige Wissen und wollten nicht einfach mal loslegen. Wir wollten ein richtiges Branding und haben uns da ein bisschen ausgetobt, zum Beispiel hochwertige Visitenkarten gestaltet. Es war uns wichtig, uns selbst ernst zu nehmen und auch nach außen so aufzutreten. Wir haben uns gesagt: Wenn wir uns nicht selbst ernst nehmen, wie sollen es dann die anderen tun? Da floss viel Zeit in Details, wie etwa in das Briefpapier – mit besonderen Beschichtungen und Motiven. Das hat uns richtig Spaß gemacht. Die ersten Fotos waren immer in Krawatte und Anzug, weil wir seriös wirken wollten. Wir waren noch jung und bei einigen Kunden war es essenziell, nicht nur als Kommunikationsberater wahrgenommen zu werden, sondern auch ein Stück weit als Unternehmensberater.
War es in dieser Phase hilfreich, dass Sie sich schon kannten?
AW: Auf jeden Fall. Wir sind gleich auf hohem Niveau mit strategischer Kommunikationsberatung eingestiegen. Da war die Nähe zueinander schon wichtig. Als Unternehmer steht man oft vor Themen, die einem völlig neu sind – und diese allein zu bewältigen, ist eine echte Herausforderung. Aber wir hatten uns immer gegenseitig zum Austausch, das war hilfreich. Gemeinsam haben wir, basierend auf einem guten Bauchgefühl und unserem wachsenden Wissen, neue Dinge entwickelt, aufgebaut, Entscheidungen getroffen und sind gestartet. Wir hatten zu Beginn sogar einen Businessplan für drei Jahre. Aber den konnten wir schon nach drei Monaten zur Seite legen, weil sich alles so schnell entwickelt und der Plan sich komplett überholt hatte. Das war herausfordernd, aber auch unglaublich spannend.
BR: Wir wussten ja grundsätzlich, auf die Arbeit bezogen, was wir können. Was wir nicht wussten, war: Wie baue ich eine Agentur auf? Aber das war eine Frage von Gut-darüber-Nachdenken und es dann so gut wie möglich auszuführen. Ein bisschen war das Glück des Tüchtigen dabei, glaube ich. Aber wichtig war: Schlussendlich blieb es nicht beim Lehrbuch, wir haben viel überdacht. Das hat sich bis heute gehalten, dass wir schauen, ob Sachen, so wie sie sind, wirklich Sinn ergeben.
Genannt haben Sie die Agentur damals Pioneer PR. Soll das auch auf dieses Neudenken anspielen?
BR: Genau. Der Name war eine Idee meines Bruders. Wir wollten neue Wege gehen, in Leipzig etwas aufbauen und für unsere Kunden den Pioniergeist mittragen. Am Anfang wollten wir uns „Pionier PR“ nennen, aber das Thema Pioniere ist in Leipzig schon etwas negativ belegt, deshalb haben wir die internationale Variante gewählt. Auf unserem ersten Logo war der Fußabdruck Neil Armstrongs auf dem Mond. Übrigens haben wir uns am 5. August gegründet und – was wir damals noch nicht wussten – der 5. August ist Neil Armstrongs Geburtstag. Insofern passt das super! Wir sind also von Pioneer PR zu Pioneer Communications gekommen und heute heißt die Agentur Pio – das ist die Kurzvariante. Aber der Pioniergeist ist noch da.
AW: Was bei dem Namen mitschwingt, ist kindliche Neugierde und der Spaß daran, Neues zu entdecken. Beides hat uns geholfen, uns immer wieder auf veränderte Anforderungen einzustellen – sei es bei internen Prozessen oder in der Zusammenarbeit mit Kunden.
Die beiden Gründer im Jahr 2007 (links) und 18 Jahre später. (© Pio)
Stichwort Kunden: Woher kamen denn die ersten Aufträge?
BR: Zu Beginn hatten wir durch unsere vorige Arbeit und unser Netzwerk den Vorteil, dass wir bereits einige Aufträge mitbringen konnten, insbesondere aus dem Bereich E-Commerce. Dazu kamen schnell ähnliche Kunden, vor allem, weil wir offensichtlich gute Arbeit abgeliefert haben und sich das herumsprach.
Hatten Sie da einen Standortvorteil bei regionalen Auftraggebern, wenn es in Leipzig gar nicht so viele Agenturen gab?
BR: Das würde man denken, aber wir haben gar nicht so viel hier gearbeitet. Wir hatten von Anfang an den Anspruch, bundesweit zu arbeiten und unsere Marktposition in ganz Deutschland zu etablieren. Außerdem gab es, wie gesagt, gar nicht so viele Kunden in der Region. Mittlerweile hat sich das ein bisschen verändert.
Inwiefern?
BR: Ein größerer Anteil unserer Aufträge kommt aus öffentlicher Hand. Da ist es gern gesehen, wenn Agenturen eine gewisse Schlagkraft haben, aber es werden auch gern Agenturen aus der jeweiligen Region beauftragt. Es ist immer schöner, wenn mitteldeutsche Ministerien auch mitteldeutsche Agenturen beauftragen. Uns freut es, dass wir mittlerweile mehr regionale Aufträge bekommen, so können wir zur Standortstärkung beitragen. Aber unsere größten Kunden sind weiterhin in den Metropolen Deutschlands, teilweise internationale Unternehmen mit deutschen Dependancen. Für uns war es immer der Anspruch, dass wir da mitspielen können, und mittlerweile können wir das.
Zum Abschluss: Wenn auf Sie ein junger Mensch zukommt und eine Agentur gründen möchte, welche Tipps würden Sie hier geben?
AW: Ein Konzept zu haben, ist nicht schlecht. Vor allem sollte man sich einen guten Steuerberater suchen, der von der Gründung an begleitet. Das ist hilfreich und spart viel Ärger.
BR: Man sollte sich überlegen: Gibt es für das, was ich mache, einen Markt? Man muss vielleicht kein richtiges Konzept machen oder einen Businessplan schreiben wie wir damals. Aber man sollte sich die Fragen stellen: Was will ich machen? Wer soll es kaufen? Und wie viel soll es kosten?
AW: Genau. Und dann einfach neugierig und mutig sein.