Das Thema Diversity hat in den vergangenen Monaten auch in Deutschland an Fahrt aufgenommen. Spätestens nach der Debatte um Sexismus-Vorwürfe in einer großen deutschen Agentur hat die Branche verstanden, wie wichtig es ist, sich zu verändern. Viele Initiativen wurden gestartet, und der GWA hat ein eigenes Diversity-Ressort eingerichtet.
Insgesamt war 2020 das Jahr, in dem „Diversity, Equity & Inclusion“ auch in Deutschlands Wirtschaft endlich mehr oder weniger flächendeckend Beachtung gefunden hat. Das ist gut, denn neben den oftmals noch verkannten positiven Effekten auf Innovationskraft, unternehmerischen Erfolg und Profitabilität ist Diversity mittlerweile zu einem der wichtigsten Faktoren bei der Suche nach Talenten geworden. In diesem Zuge haben sich viele Unternehmen neue, diverse Werte auf die Regenbogen-Fahnen geschrieben. So gaben 50 Prozent der befragten Unternehmen im „German Diversity Monitor 2020“ an, Diversität und einem inklusiven Arbeitsumfeld eine hohe Bedeutung beizumessen.
Keine Kommunikation ohne Authentizität
Kommunikation ist der wichtigste Hebel, die eigene Haltung in die Welt hinauszutragen und vor dem Hintergrund der anhaltenden Purpose-Diskussion zum Corona-induzierten Wertewandel und zu den steigenden Anforderungen einer jungen Generation klar Stellung zu beziehen. Um dies glaubwürdig und authentisch zu tun, muss Diversität in der Beziehung zwischen Agentur und Unternehmen gelebt werden. Hier spielt Diversität jedoch noch kaum eine Rolle. Viel zu oft akzeptieren Kunden Agentur-Teams, die sich aus „alten (oder auch jungen) weißen Männern“ zusammensetzen. Zumindest eine Frau, das sind die Erfahrungen vieler Branchen-Kolleginnen, schafft es dann doch in den nächsten Kunden-Call – um die Quote zu erfüllen. Wo also bleibt die Konsequenz?
Der Auswahlprozess als Diversity-Katalysator
Der Auswahlprozess ist der Moment, in dem Unternehmen ihre Agenturbeziehungen auf den Prüfstand stellen und Lösungskompetenz, Kreativität, Zusammenarbeit und Kosten durchleuchten. Es ist auch der Moment, in dem Agenturen aus gutgemeinten Diversity-Zielen ernstgemeinte Tatsachen machen können – direkt zu Beginn einer möglichen Partnerschaft.
Die Realität sieht (noch) anders aus. So bestätigte zuletzt ein Pitch-Berater, dass kaum ein Kunde das Thema öffentlich auf den Tisch legt. Zu Tage kommt es erst dann, wenn ein Meeting wieder nur mit „weißen Männern“ stattgefunden hat – ein Umstand, der dann auch auf den Kunden befremdlich wirkt.
Themenwoche „business as female“
Am 5. März startet „business as female“, die Themenwoche der Handelsblatt Media Group Diversity-Initiative „The Shift Initiative“ zum Weltfrauentag. Mit spannenden Insights und Formaten rund um die Themen Inklusion und Vielfalt. Sind Sie dabei?
Dass es auch anders geht, zeigt ein Blick nach UK oder in die USA, wo die Vielfalt in Unternehmen bereits seit den 60er-Jahren gesetzlich verankert ist und zum Teil festgelegte Quoten die Diversität fördern. Das spiegelt sich auch in Auswahlprozessen wider, denn etwa drei Viertel der großen Unternehmen fordern dort längst ausdrücklich diverse Teamaufstellungen als Grundvoraussetzung für die Teilnahme.
Die US-amerikanische Pitch-Beratung Avidan Strategies holt bereits seit einigen Jahren in der Request-for-Information-Phase Informationen zum prozentualen Frauenanteil auf der Führungsebene und dem geschlechtsspezifischen Lohngefälle sowie weitere Informationen von Agenturen ein. Werden bestimmte Kriterien nicht erfüllt, schaffen es die Bewerber nicht über diese Phase hinaus.
Vorreiter einer diversen Kultur
In Deutschland sollten Agenturen es gar nicht so weit kommen lassen. Deswegen ist gerade jetzt der Zeitpunkt gekommen, da die Agenturen sich bei Kunden positionieren können – in der bestehenden Beziehung genauso wie im Auswahlprozess –, und zwar als Vorreiter einer Diversity-Kultur. Vorreiter, die nicht nur Vielfalt versprechen, sondern sie auch konsequent leben.