Agentur Kochstrasse: So waren die Anfänge auf dem Dachboden

Mitte der 90er Jahre gründete ein Freundeskreis in Hannover die Agentur Kochstrasse. Einer von ihnen war Marc Klossek. Hier erinnert er sich an die Anfangsjahre. Teil 1 unserer Serie über Agenturgründungen aus vier Jahrzehnten.
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Marc Klossek (Dritter von rechts) ist Mitgründer der Agentur Kochstrasse. Bis heute ist der Gesellschafter und Geschäftsführer für Administration und Controlling – wie es auf der Website heißt – das Herz der Agentur. Zu deren Kunden gehören Marken wie Continental, Daimler, Tui, Volkswagen, Rossmann und die AOK Niedersachsen. (© Agentur Kochstrasse)

Herr Klossek, Ihre Agentur Kochstrasse wurde 1995 auf einem Dachboden gegründet. Wie darf man sich das vorstellen?   
Wir waren ein Freundeskreis, der in einer WG gewohnt hat. Diese WG war ein bisschen zweckgebunden, weil wir alle miteinander in der Werbebranche gearbeitet haben, aber in erster Linie waren wir befreundet. Das Haus, in dem wir gewohnt haben, lag in Hannover-Linden in der Kochstrasse. Wir hatten auf der dritten und vierten Etage mehrere kleine Wohnungen und eine davon führte auf den Dachboden. Da war auf der einen Seite ein Gemeinschaftsraum, auf der anderen ein Büro und in der Mitte ein Essbereich.   

Sie haben in der Kochstrasse gewohnt und daher auch die Agentur so benannt?  

Genau. Wir haben alle oft für eine Agentur gearbeitet und der Chef wollte wissen, wie er uns nennen soll. Da haben wir gesagt: Projekt Kochstrasse. Das war das erste Mal, dass es sowas wie eine Bezeichnung für uns als Gruppe gab. Der Name war also nicht verbunden mit einem Konzept, er ist einfach spontan entstanden und geblieben. Später haben wir daraus eine Kommanditgesellschaft, eine KG, gemacht – weil das das Einfachste war und man dafür kein Kapital brauchte.  

Sie haben also am Anfang für andere Agenturen gearbeitet?  

Ja, in den Ursprüngen war es nicht so, dass wir wirklich als Kollektiv auf irgendetwas hingesteuert haben. Wir haben Gelegenheiten im kreativen Foto- und Werbebereich ergriffen. Überall da, wo es Geld zu verdienen gab, und worauf wir Lust hatten, haben wir uns eingebracht.  

Zum Beispiel wo?   

Kurz vor der Expo 2000 haben wir damals mit Karana Marketing zusammengearbeitet, einer Agentur in Hannover, die auch einen kleinen Verlag hatte. Da haben wir für die Üstra, die Stadtbahn in Hannover, ein Buchprojekt gestaltet. Zu jeder Haltestelle gab es ein kleines Büchlein, wo die Besuchenden der Expo sehen konnten, was es rund um die Haltestelle zu erleben gibt. Dafür haben wir Bilder gemacht, Geschichten geschrieben, Designs gestaltet, sind zu den Haltestellen gefahren und haben vor Ort recherchiert. Das hat Spaß gemacht, damit waren wir ein halbes Jahr lang beschäftigt.  

Irgendwann sind Sie bestimmt aus dem Dachboden ausgezogen.  

Das war ungefähr zur Jahrtausendwende, da wurde die Kochstrasse irgendwann zu klein. Wir brauchten Bürofläche und es war auch stressig, dass vorher alles noch im eigenen Wohnbereich stattgefunden hat. Darum sind wir Anfang der 2000er ins Ahrbergviertel gezogen, auf die Fläche einer ehemaligen Wurstfabrik. In diesem Gebäude sitzen wir heute immer noch, haben dort unter anderem ein kleines Fotostudio.  

Heute ist die Agentur Kochstrasse ja spezialisiert auf Kreation, aber auch auf Neuromarketing. Hat Beratung in diese Richtung von Anfang an eine Rolle gespielt?  

Nein, unser Anfang hat vor allem in Dienstleistungen für andere Agenturen bestanden. Das heißt auch, wir hatten nicht die Beratungskompetenz, die wir heute haben. Wir haben Fotos für andere Agenturen gemacht, sie auch entwickelt oder bearbeitet, weil wir einen hochwertigen Scanner hatten. Es gab noch keine Digitalfotografie, jedenfalls nicht im so professionellen Bereich wie heute. So etwas, das Kreative, war unser Kerngeschäft. Weiterentwickelt und ausprobiert haben wir uns nebenbei, das funktionierte manchmal auch ganz zufällig. Für einen unserer Kunden sollten wir Verpackungen gestalten und haben dabei festgestellt, dass die Produktion in China immer wieder ins Stocken geriet. Da sind wir kurzerhand nach Hongkong geflogen und haben dann Erfahrungen in der Produktionsüberwachung gesammelt. So haben wir angefangen, internationaler zu arbeiten.   

War das damals die aufregendere Zeit?  

Es war aufregend, gar keine Frage. Das haben wir alle gerne mitgenommen, ich auch. Heute gibt es auch andere aufregende Sachen. Wir beraten Marken zu verschiedenen Themen, haben mehr Erfahrung und Kompetenz und ich kümmere mich vor allem um das Interne.   

Was würden Sie sagen, was Kochstrasse heute und vielleicht schon damals, von anderen Agenturen unterscheidet?  

Wir haben von Anfang an vieles anders gemacht – nicht, weil es Trend war, sondern weil es sich für uns richtig angefühlt hat. Unsere Unternehmenskultur basiert auf einem engen Miteinander, das aus dem Freundeskreis entstanden ist. Wir sehen unsere Kolleginnen und Kollegen nicht als klassische Mitarbeiter, sondern als Teil eines Teams auf Augenhöhe. Auch unsere Strukturen, etwa bei Gehältern und Verträgen, sind unkonventionell, aber funktionieren seit Jahren. Während viele Agenturen erst heute moderne Arbeitsweisen übernehmen, leben wir sie schon lange – authentisch und aus Überzeugung. Das spüren auch unsere Kunden.  

Gibt es spezielle Pläne für die Zukunft? Woran arbeiten Sie?  

Ein großes Thema ist natürlich KI. Wir erforschen gerade, wie sie unsere Arbeit sinnvoll ergänzen kann – insbesondere im Bereich Text und bei kreativen Prozessen. Gleichzeitig wollen wir unsere Strukturen weiter professionalisieren, da wir als Unternehmen gewachsen sind und neue Organisationsformen brauchen. Mittlerweile sind wir ungefähr 80 Leute, da muss man anders organisiert sein als mit 20.   

Wenn ein junger Mensch auf Sie zukommt und gründen will, was raten Sie da?  

Mehr Mut und vor allem weniger Kontrolle. Man kann nicht alles planen – manchmal ist es besser, einfach loszulegen und Erfahrungen zu sammeln. Es ist okay, Umwege zu gehen, Fehler zu machen und Dinge auszuprobieren. Ob man mit 24 oder 28 mit der Ausbildung fertig ist, ist nicht so wichtig. Erfolg kommt nicht immer durch den perfekten Plan, sondern oft durch Gelegenheiten, die sich ergeben, wenn man offen und leidenschaftlich bei der Sache ist.   

Laura Schenk (ls, Jahrgang 2002) ist seit August 2023 Werkstudentin bei der absatzwirtschaft und hat immer Lust, sich neuen Themenbereichen zu widmen. Eine besondere Vorliebe hat sie für kubistische Malerei und das Schreiben in all seinen Formen. Ihrer Heimatstadt Leipzig hat sie 2023 sogar einen Kurzgeschichtenband gewidmet. Sie studiert dort Kommunikations- und Medienwissenschaft und engagiert sich crossmedial bei Lokalzeitungen und beim Radio.