Von Vera Hermes
Seit 2005 veröffentlichen absatzwirtschaft, „Handelsblatt“ und das Marktforschungsinstitut Innofact alle zwei Jahre exklusiv die Studie agentur-images. Und seit 2005
führen zwei Männer die Liste der profiliertesten Werber Deutschlands an: Jean-Remy von Matt und Holger Jung. Zugleich gilt ihre Agentur den befragten 328 Marketingentscheidern nach wie vor als die beste des Landes: Jung von Matt konnte den Abstand zum Zweitplatzierten Scholz & Friends im Vergleich zum 2013er-Ranking sogar noch einmal deutlich vergrößern. Der spektakuläre Verlust des Mercedes-Etats und ein eher maues Wachstum von 2,3 Prozent im vergangenen Jahr konnten dem Image der Hamburger Agenturgruppe offenbar nichts anhaben. Wie in den Vorjahren führt Jung von Matt auch die Einzelbewertungen in den Kategorien Effizienz, strategische Markenführung, integrierte Kommunikation und – besonders eklatant – Kreativität an.
Nur klassische Werbung bringt keinen Erfolg mehr
„Das Ranking zeigt, wie robust die Marke ist“, sagt Jung-von-Matt-CEO Dr. Peter Figge. Nicht von ungefähr macht Figge aber darauf aufmerksam, dass das Digitalgeschäft von Jung von Matt in Deutschland seit dem Jahr 2010 um 596 Prozent zugelegt hat. Tatsächlich behandelt die Studie agentur-images nahezu ausnahmslos Agenturen des alten Schlags – also solche, die mit klassischer Werbung groß geworden sind. Damit allein können Agenturen heute nicht mehr erfolgreich sein. Neben den großen, weithin sichtbaren klassischen Kampagnen arbeitet Jung von Matt deshalb verstärkt an kleinteiligen, digitalen Pull-Aktionen, Content-Bereitstellung, Facebook-Cases. Dem Image hat das nicht geschadet.
Jung von Matt geht es ums kreative Produkt
Diese glasklare Positionierung ist Grundlage für das gute Abschneiden der Agentur. Zwar profitiert Jung von Matt sicherlich von einem Depoteffekt. Dennoch ist die kontinuierliche Bestplatzierung auch Beleg für die exzellente Markenführung der Agentur, ihrer Führungskräfte und der Gründer: Jean-Remy von Matt und Holger Jung profilierten ihre Firma seit deren Start im Jahr 1991 unmissverständlich als Kreativschmiede und zahlten auch als Personen immer auf diesen Markenkern ein. Dass Holger Jung seit 2010 nicht mehr operativ tätig ist? Geschenkt. Dass Dr. Peter Figge als CEO seit seinem Amtsantritt vor fünf Jahren das Gross Income der Agentur in Deutschland um 51,2 Prozent auf über 80 Millionen Euro steigerte? Katapultiert ihn nicht ins Personenranking.
Werbung in eigener Sache hat starke Defizite
Ein Blick auf die Fallzahlen zeigt, dass nur sehr, sehr wenigen der befragten Marketern abseits von Jean-Remy von Matt und Holger Jung überhaupt profilierte Persönlichkeiten der Branche in den Sinn kommen. Wie lange Markeneffekte anhalten, zeigt die Platzierung von Bernd Michael in den Top Ten: Der legendäre Deutschland-Chef von Grey quittierte bereits vor zehn Jahren seinen Dienst.
Tina Müller, Platz zehn, ist bekanntlich gar keine Werberin, sondern CMO von Opel. Amir Kassaei, Rang drei, dürfte dank seiner Poltereien gegen die Werbebranche – mit denen es der internationale Kreativchef von DDB bis in „SZ“, „FAZ“ & Co. gebracht hat – im Bewusstsein manchen Marketers gelandet sein. Relevant für den deutschen Markt ist er nicht.
Wenig relevant sind für Entscheider offenbar auch Agenturen: Scholz & Friends erhält im Rennen um die beste Agentur auf Rang zwei nur noch rund elf Prozent der Stimmen, Serviceplan und Heimat je rund 8,5 Prozent, Ogilvy & Mather rund acht Prozent. Jenseits der Top Ten wird das Feld dann dermaßen eng, dass sich keine signifikanten Unterschiede mehr ausmachen lassen – obwohl sich dort renommierte Agenturmarken wie Saatchi & Saatchi, Publicis Pixelpark, Philipp und Keuntje oder Grabartz & Partner befinden. Dem Gros der deutschen Topwerber gelingt es also weder, sich als Person noch ihre Agentur bei ihrer Zielgruppe zu profilieren – die Werbung in eigener Sache versagt kläglich.
Dort bewegen, wo Entscheider sind
Für viele erschütternd dürfte auch die Abfrage der gestützten Bekanntheit von Werbeagenturen sein: Fast 75 Prozent der Befragten haben ein konkretes Bild von Jung von Matt vor Augen. Scholz & Friends erreicht als Zweitplatzierter mit 55 Prozent einen deutlich niedrigeren Wert, und die Nummer drei der Bestenliste, Serviceplan, verzeichnet 42 Prozent. Wolf Ingomar Faecks, GWA-Präsident und Kontinentaleuropa-Chef der IT-getriebenen Marketingagentur Sapient Nitro, empfiehlt den Agenturen angesichts dieser Ergebnisse, in den Gremien, Publikationen und Zirkeln präsent zu sein, in denen sich die Entscheider bewegen. Faecks fordert weniger boulevardeskes Geschrei und mehr Relevanz. Werber seien keine Rockstars und Diven mehr, sondern vernünftige Unternehmer – und sollten sich als solche positionieren. „Es geht darum, das für Unternehmen zu tun, wofür es einen Effie gibt“, fordert Faecks.
Bemerkenswert ist, dass trotz des augenscheinlichen Profilmangels sämtliche Agenturen, die auch im 2013er-Ranking vertreten waren, in den Einzelbewertungen besser abschneiden als noch vor zwei Jahren. Insgesamt bekommen die Top 15 in allen vier Leistungskategorien sehr gute bis gute Noten. Auch mit ihrer eigenen Agentur sind die meisten Marketing-
entscheider sehr zufrieden – im Schnitt vergeben sie die Schulnote 1,9. Und 85 Prozent der Befragten wollen mit ihrer Agentur weiter zusammenarbeiten.
Wie werden Marketingentscheider auf Agenturen aufmerksam?
Laut agentur-images 2015 sind Profilierungsmangel und Kundenzufriedenheit also kein Widerspruch. „Die Mehrheit der Befragten ist mit ihrer Agentur zufrieden und stellt sie auch nicht zur Disposition. Die Werte sind nicht schlecht, die operative Arbeit funktioniert auf einem ordentlichen Level. Fragt sich also, ob Agenturen in ihrem B-to-B-Umfeld überhaupt laut trommeln müssen, um erfolgreich zu sein“, kommentiert Karsten Polthier, Sprecher des Vorstands von Innofact. Polthier mutmaßt, dass sich viele Marketingleiter nicht besonders dafür interessieren, was in der Agenturszene vor sich geht. Diesen Verdacht bestätigt die Frage, wie die Marketingentscheider auf ihre aktuelle Agentur aufmerksam wurden: 39 Prozent arbeiten mit der Agentur zusammen, die schon vor ihrem Amtsantritt für ihr Unternehmen tätig war. 27 Prozent vertrauen auf die Empfehlung von Kollegen. Und je fünf Prozent geben an, von der Agentur in den Medien gelesen zu haben oder über eine spezielle Kampagne auf sie aufmerksam geworden zu sein.
Ob Rankings auf Agenturen aufmerksam machen, wurde nicht gefragt. Vieles spricht dafür. Saatchi-&-Saatchi-Chef Christian Rätsch argumentiert: „Es gibt eine Awardmaschinerie mit klaren Wertungsfaktoren, dahin kommt man über exzellente Kreativarbeit. Die Platzierung in Kreativrankings ist immer noch die beste Möglichkeit der Positionierung einer Agentur.“ Das nachhaltig gute Image von Jung von Matt gibt ihm zweifellos recht. Wenn auch Toppositionen in Kreativrankings in Zeiten der Digitalisierung längst nicht mehr reichen, um erfolgreich zu sein.
Zur Studie: Die Studie agentur-images wurde im Jahr 2005 gemeinsam von absatzwirtschaft, „Handelsblatt“ und dem Marktforschungsinstitut Innofact ins Leben gerufen. Die letzte Erhebung fand 2012 statt und wurde in den agentur-images 2013 veröffentlicht. Befragt wurden 328 Marketingverantwortliche zwischen Januar und März 2015 in den größten werbetreibenden Unternehmen in Deutschland. Basis für die Auswahl der Unternehmen waren die Werbeausgaben in den klassischen Medien sowie im Internet.