Von Michael Ziesmann
Bis gestern wollte sich Aegis Media mit dem Verweis auf das laufende Verfahren nicht zu Detailfragen des Falls äußern. Andreas Bölte, CEO von Aegis Media für Zentraleuropa, ließ am vergangenen Freitag lediglich mitteilen, dass die Behauptungen Ruzickas „unwahr und irreführend“ seien, und in „keiner Relevanz zu den Vorwürfen“ stehen würden. Auch das Aegis Media Hauptquartier in London lehnte noch gestern jeden weiterreichenden Kommentar ab. So blieb auch die Frage, wie Ruzicka Geld in seine Taschen umgeleitet haben sollte, zunächst ungeklärt.
Gegenüber Horizont nahm nun der Rechtsanwalt von Aegis Media, Dr. Johann-Christoph Gaedertz , dazu Stellung. Danach war das kollusive Zusammenwirken von drei Personen (gemeint sind Ruzicka sowie die Media-Einkaufschefs Linn und Jackson) maßgeblich. Dieser „Unrechtspakt“ soll in der Absicht entstanden sein, Aegis Media zu schädigen. Wie Gaedertz weiter ausführt, soll das Buchhaltungs- und Abrechnungssystem bei Aegis Media von Frau Jackson und Herrn Linn manipuliert worden sein. Sie hätten im System hinterlegt, dass die Rechnung von Emerson FF und nicht von den TV-Vermarktern kommt.
Die so hinterlegten Sendezeiten, Preis- und Rabattangaben seien daraufhin von Jackson an die Buchhaltung von Emerson FF gemeldet worden: „Emerson FF hat danach eine Rechnung mit diesen Buchungsangaben an Carat geschickt“, erklärt Gaedertz weiter. Daher sollen die Rechnungen die Aegis Media Buchhaltung automatisch passiert haben, ohne dass jemand etwas bemerken konnte: „Damit war keine Kontrolle für Aegis möglich“, wird Gaedertz von Horizont zitiert. „Aufgrund von identischen Rechnungen, die von Watson und Camaco an Emerson FF gesandt wurden, flossen diese Gelder an deren Treuhänder (Ruzicka, Linn, Jackson, Anm.) zurück“, so der Rechtsanwalt von Aegis Media.
Nachfragen zu den vorgelegten Grafiken – zum Beispiel warum diese Freizeiten von den TV-Vermarktern zu Carat gekommen sind, oder an welcher Stelle die Freispots wieder zu den TV-Sendern gekommen sind – bei denen diese ausschließlich kundenbezogen eingesetzt werden – wollten Aegis Media und Rechtsanwalt Dr. Gaedertz zur Zeit nicht beantworten.
Ruzicka behauptete im Interview mit der absatzwirtschaft, dass schon Kai Hiemstra Firmen gehabt hätte, die auch dem Zwecke der Freispotgewinnung gedient hätten. Ebenfalls im Horizont und auf Nachfrage auch zur absatzwirtschaft äußert sich Hiemstra: „Das war eine völlig saubere Produktionsfirma, denn die TV-Sender brauchten ja Programme. Und wahrscheinlich waren wir nicht die einzigen, die solche Firmen betrieben haben.“
Auch die Staatsanwaltschaft Wiesbaden hat ihre Kommunikationsstrategie geändert. Hatte sie bis vor wenigen Wochen Journalisten gezielt informiert, möchte sie sich seit Montag auch zum abgeschlossenen Teil der Ermittlungen nicht mehr im Kontext äußern. Ruzickas Verteidiger Marcus Traut unterstellt der Staatsanwaltschaft unterdessen, dass sie „das Wesen und die Grundzüge des Agenturgeschäfts bislang nicht verstanden hat.“ Von Fernsehmagazinen (ARD: Report Mainz, Hessisches Fernsehen: De Facto) wurde der Staatsanwaltschaft Wiesbaden die Verschleppung der Ermittlungen vorgeworfen. Auch unsere Recherchen zeigen, dass bestimmte Behauptungen Ruzickas noch nicht umfassend überprüft worden sind.
So hat Carat tatsächlich zu einem Jagdevent bei Györ eingeladen. Ein hochrangiger Manager eines Konsumgüterunternehmens, dessen Name der Redaktion bekannt ist, bestätigte gegenüber der absatzwirtschaft, dass bei diesem Event neben Herrn Ruzicka 20 bis 25 Personen anwesend waren. Dies seien leitende Manager von Carat Ungarn, Österreich, Frankreich und Deutschland gewesen, aber auch andere Kunden und potentielle Kunden von Carat. Die Jagd hätte auf einem gemieteten Gelände stattgefunden. Die Einladung kam nicht von Ruzicka privat, sondern von Carat Ungarn. Wenn Ruzickas Firma Watson dieses Jagdevent tatsächlich organisiert hat, und damit von Aegis Media beauftragt wurde, wie Ruzicka behauptet, ließe sich das recht einfach nachvollziehen oder aber entkräften.
Trotz vieler offener Fragen im Fall Ruzicka bleibt der begründete Verdacht, dass Geld in private Taschen geflossen ist. In den kommenden Wochen muss das Landgericht Wiesbaden entscheiden, ob die Anklage zugelassen wird. Ruzickas Verteidiger Marcus Traut hat am vergangenen Freitag beantragt, die Anklage nicht zuzulassen. Sie entspräche nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat unabhängig davon in Kürze erneut zu prüfen, ob für Aleksander Ruzicka Haftfortdauer angeordnet wird.
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