AdBlocking: Gesamtgesellschaftlicher Schaden?

Im Auftrag des BVDW führten PriceWaterhouseCoopers eine Studie in Sachen Adblocking durch. Die Ergebnisse sind wenig überraschend, das Studiendesign unterdessen schon. Von den betroffenen Publishern und Vermarktern kann nur ein Viertel den wirklichen Verlust beziffern

Die Fakten zuerst: Einer Studie zufolge, die von PWC im Auftrag des BVDW erstellt wurde, erwartet der Großteil der Befragten negative Konsequenzen durch Adblocking für die Onlinewerbebranche, bis hin zu Entlassungen. Besonders kritisch wird aktuell die Entwicklung im mobilen Segment gesehen. Dort verhindert Adblocking wichtige Investitionen, die für die Transformation vom stationären zum mobilen Web eingesetzt werden sollten. „Mobile Adblocker hemmen demnach den erforderlichen Wandel von stationären zu mobilen Geschäftsmodellen im Internet“, so der Wortlaut.

Die Branche gibt sich der Studie zufolge durchaus selbstkritisch und kann verstehen, dass die User Adblocker installieren. „Die Umsetzung der mobilen Werbung hat noch einen geringen Reifegrad. Da wird viel experimentiert und ich kann mir vorstellen, dass vieles davon dem Nutzer nicht gefällt, was er auf seinem kleinen Bildschirm sieht“, zitiert die Studie einen nicht namentlich genannten Vermarkter. Und in der selbst auferlegten Agenda steht die Optimierung der Qualität der Werbung mit erheblichem Abstand auf den Plätzen eins und zwei der ToDo-Liste.

Die Branchenperspektive

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Wer sich mit Onlinewerbung befasst, kann sich an dieser Stelle vermutlich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen. Der Kreis der Onlinevermarkter (OVK) hat berechnet, dass rund 21 Prozent aller Bannerauslieferungen geblockt werden. Daraus resultiert vor allem ein Schaden für Vermarkter und Publisher, die Werbungtreibenden lässt das bislang weitgehend kalt, denn sie bezahlen nicht für nicht-ausgelieferte Werbung. Das hehre Ziel der Verbesserung der Werbequalität begleitet die Branche von Beginn an und hat sich nicht wirklich in Handgreiflichem niedergeschlagen. Im Kampf um die immer kürzer werdende Aufmerksamkeitsspanne und die stetig steigende Bannerblindheit, setzen eben viele Werbungtreibende und deren Vermarkter lieber auf Frequenz, Größe und Aufdringlichkeit, als auf subtile Formen der Personalisierung und des Targeting. Und während der User das im stationären Netz noch stillschweigend toleriert hat, ist sein Geduldsfaden im mobilen Netz zum Zerreißen gespannt.

Nicht nur greift unerwünschte Werbung noch viel stärker in die User Experience ein. Auch hat sie zur Folge, dass Websites signifikant langsamer werden und durch den fortwährenden Einsatz der seit nunmehr sechs Jahren abgeschriebenen Flash-Technologie sogar das gesamte mobile Betriebssystem samt Akkulaufzeit in den Keller ziehen. Tatsächlich kostet schlechte Werbung den Nutzer sogar Geld, wenn er mit einem Volumentarif online geht.

Dass die Werbebranche sich gemeinsam an einen Tisch setzt um die Qualität der Anzeigen, ein verbindliches Frequency-Kapping oder gar den Abschied von dem einen oder anderen aufdringlichen Flyout-Format zu beschließen, daran glaubt nicht mal die Studie und deren Befragte. Schon die Definition von „Guter Werbung“ will nicht gelingen, steht dort. Und das ist ja genau einer der Kritikpunkte gegenüber AdBlock Plus-Hersteller Eyeo, nämlich dass die Kölner nicht die Herren über Gut und Böse in der Onlinewerbung sein dürfen. Schon gar nicht gegen Bezahlung.

Interessante Fragen, ausgewählte Befragte  

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Leider versäumt es die Studie – die zur Aufklärung über die nicht wegzudiskutierende Problematik Adblocking dienen soll – den nächsten, wichtigen Schritt zu gehen. Zunächst soll ein Stimmungsbild geschaffen werden, es werden aber nur 20 Teilnehmer der Wertschöpfungskette Onlinemarketing befragt. Dass die Verlustängste haben, könnte man vermuten.

Ein differenziertes Bild, bei dem auch User oder gar AdBlocker-Anbieter zu Wort kommen, gelingt dieser Studie – die eher eine Umfrage ist – nicht. Das war auch gar nicht das Ziel, meinten die Umfrager von PWC. Vielleicht hätte genau das aber das Ziel sein sollen. Fragen wie: „Wie würden Sie die negativen Auswirkungen auf den Online-Werbemarkt beschreiben?“ geben die Antwortrichtung vor. Nach möglichen positiven Folgen des Adblocking wurde nicht gefragt. Wäre vermutlich bei der Auswahl an Befragten zu denen Mediaagenturen, Publisher, Vermarkter und Werbungtreibende gehörten, auch ziemlich sinnlos. Doch selbst die Darstellung des tatsächlichen Schadens fällt der Studie schwer. Der 1,6 Mrd. schwere Markt der Displaywerbung sei stark betroffen, betont man. Und an anderer Stelle ist von den vom OVK gemessenen 21 Prozent die Rede.

Tatsächlich könnte man daraus einen potentiellen Verlust von 350 Mio. Euro errechnen, aber das ist Unsinn. Der Verlust ist ein virtueller, so lange die Seiten des Publishers nicht ausverkauft sind. Bei den großen Verlagen werden Restplätze quasi von unten mit preiswertem Inventar aufgefüllt. Setzt man deren Preise als Verlust an, fällt das Problem wesentlich geringer aus.

Und genau das steht tatsächlich in der Studie. Von den betroffenen Publishern und Vermarktern kann nur ein Viertel (bei 6 Publishern und 4 Vermarktern also 2,5 Personen!) den Verlust beziffern und der liegt irgendwo zwischen zehn und zwanzig Prozent. Im Umkehrschuss bedeutet das: Dreiviertel aller Publisher spüren keinen Verlust, wollen ihn nicht kommunizieren oder er ist so gering, dass sie keinen Drang verspüren, sich genauer damit zu beschäftigen. Tatsächlich, und darauf weist die Studie klar hin, ist die bisherige Wirkung das Adblocking auch ungleich verteilt. Seiten mit IT-, Gadget- und Gaming-Inhalten sind ungleich stärker betroffen, als der Rest der Publisher.

Fazit

Das Meinungsbild der Onlinewerbebranche kommt hier klar zum Ausdruck. Der Aufschrei fällt stärker aus, als er den gemessenen Effekten halber sein dürfte. Aber da die Installationsbasis der Adblocker weiter steigt, und Apple nun im Geschäft mitmischt, hat dieser Aufschrei seine Berechtigung. Die Studie versäumt es allerdings, ein rundes Bild zu zeichnen. Dazu würde neben der Befragung der User und der Adblockerhersteller eventuell auch noch der Datenschutz gehören, denn nicht wenige Nutzer setzen Werbungstracking mit Verlust der Privatsphäre gleich und somit stellt das einen bedeutenden Grund der Installation von Werbeblockern dar. Von einem gesamtgesellschaftlichen Schaden, wie ihn das Titelblatt der Studie nahelegt, spricht nicht mal mehr das Executive Summary.

Die Konsumentenrente von Adblocking ist wohl nur schwer berechenbar. Die Gelder die an Eyeo, den Hersteller von AdblockPlus, fließen, bleiben im Markt, wenngleich aus Sicht der werbungtreibenden Industrie an der falschen Stelle. Die skizzierten Lösungswege, von denen die ersten beiden eine qualitative Verbesserung der Onlinewerbung fordern, zeigen unterdessen gut, dass nur ein Mix aus verschiedenen Methoden aus diesem Dilemma hilft. Eine intensive Kommunikation mit dem Nutzer erscheint den Teilnehmern wirkungsvoller als technische Gegenmaßnahmen. Dann könnte man ja bei der nächsten Studie damit beginnen.