John Nardone kennt die Marketingindustrie von der Pike auf und hat die Entwicklung von neuen Marketingansätzen und -technologien bei Pepsi, Modem Media und Marketing Management Analytics (MMA) getrieben. Im Interview spricht er mit uns über Banner Ads und die Zukunft von Online-Werbung.
Herr Nardone, Sie und Ihr Team haben die ersten beiden Banner Ads geschaltet. Hatten Sie damals das Gefühl, dass Sie am Anfang von etwas ganz Großem stehen?
JOHN NARDONE: Auf jeden Fall. Als Hotwired gelauncht wurde und wir dann die Möglichkeit hatten, dort Anzeigen zu schalten, war das aufregend. Es war wirklich etwas Neues, was vor uns noch niemand ausprobiert hatte.
Es war nur eine Minderheit online– wir reden vom Herbst 1994. Das Web hat eigentlich fast nur in akademischen Kreisen – in Universitäten, Forschungseinrichtungen und bei Studenten – existiert. So etwas wie professionell erstellte digitale Inhalte gab es eigentlich nicht. Um überhaupt online zu sein, wurden die klassischen Online Services wie America Online, Prodigy oder CompuServe genutzt, all diese Services entsprachen einem monatlichem Abo-Modell.
Für Privatpersonen war es kompliziert online zu gehen, man musste Software für den TCPIP Stack finden und auf dem eigenen Computer installieren, was nicht einfach war. Diese konnte nicht käuflich erworben werden, man musste jemanden kennen, der diese Dateien hatte und bereit war, dir diese auf eine Diskette (!) zu ziehen. Und damit war man ja noch nicht einmal online: Man musste immer noch ein Modem haben, dass einen Zutritt zu der klassischen Telefonleitung verschaffte. Heute kaum noch vorstellbar – Modems waren so langsam, das eine Seite bis zu fünf Minuten dauerte, um zu laden.
Aber um auf Ihre Frage zu kommen: Ja, wir wussten, dass wir etwas Neues und Aufregendes beobachten konnten. Aber wirklich einschätzen, wie groß die Transformation werden würde, konnten wir nicht.
Wie sah Online Werbung anfangs aus?
Erst einmal konnte man nichts animieren. Die Anzeigen waren in dem Sinne wie Print-Anzeigen, ohne jede Bewegung und dazu in der Seite fest einprogrammiert. Das Konzept eines Ad Servers gab es noch gar nicht, weder auf Publisher-Seite noch auf der Demand-Seite. Im Resultat sah dies so aus, dass man eine Bannerfläche für mehrere Wochen oder sogar Monate belegt hat. Diese ersten Anzeigen auf Hotwired ließen sich drei Monate online halten. Traffic oder Views waren noch keine etablierten Messgrößen – wir hatten gar keine Möglichkeit festzustellen, wie viele Personen überhaupt diese Anzeigen gesehen haben. Also haben wir vom Publisher die Logfiles angefordert und sind diese manuell durchgegangen, um zu sehen, wie oft das GIF geladen wurde. Es gab keine Standardisierung, man sprach davon wie viele „Hits” eine Webseite hatte, sprich, wie oft die Grafiken auf einer Webseite geladen wurden. Was natürlich nicht mit Views gleichzusetzen ist.
Es schien alles ziemlich unübersichtlich, da wir erst noch Messgrößen entwickeln mussten. Ab 1995 und 1996 haben wir dann viel mehr Traffic gesehen, doch es war nicht mehr möglich die Logfiles manuell auszuwerten, also haben wir hierfür unsere eigene Software programmiert – lange bevor es etwas wie Omniture gab und DoubleClick war damals ein Ad Server für Publisher. Wenn man also nicht im Netzwerk von DoubleClick arbeitete und durch diese vermarktet wurde, hatte man auch auf diese Leistung keinen Zugriff. Die digitale Welt war wirklich eine ganz andere.
Worauf lag anfangs der Fokus, wenn es um Onlinewerbung ging? Wie wussten Sie, dass die Anzeigen gesehen wurden?
Am Anfang definierten wir uns also so etwas wie eine Full Service Agentur: Wir haben die ersten Anzeigen für die ersten Webseiten konzipiert, die wir gebaut haben. Beispielsweise eine Webseite für AT&T. Genauso wie die eigentlich erste wirklich kommerzielle Seite für die Biermarke Zima der Brauerei Coors. Webseiten für MasterCard, Delta Airline oder CBS Television haben auch dazu gehört. Wir haben die Anzeigen geschaltet, um Traffic für diese Seiten zu generieren.
Es gab weder die Technologie, um Anzeigen automatisiert auszuspielen noch Mitarbeiter, die im digitalen zu Hause waren. So haben unsere Texter das Web nach Seiten durchforstet, auf denen eine Anzeigenschaltung möglich war. Wir haben dann eine ganz klassische E-Mail mit einer Anfrage für Werbung an den Webmaster geschickt. Neun von zehn Antworten lauteten nein – und das oftmals mit ziemlich deftiger Sprache untermalt, was wir uns einfallen lassen würden, Werbung auf ihren „kostbaren“ Webseiten schalten zu wollen. Wir wussten, dass die Anzeigen wahrgenommen wurden, denn die Klickraten waren damals noch phänomenal. Die ersten Anzeigen auf Hotwired hatten Klickraten von 25 – 50 Prozent. Das hat uns geholfen eine direkte Verbindung zwischen den Klicks und dem Traffic auf diesen Webseiten aufzubauen.
Was ist der größte Unterschied zu den Anzeigen, die wir heute sehen?
Eigentlich fast alles. Animationen, Video, Rich Media, Messgrößen und die Kontrollmöglichkeiten, die Werbekunden heute haben. In meinen Augen am wichtigsten sind die Standards und Messgrößen, die es erst möglich machen in diesem Ökosystem zu handeln.
Die richtige Botschaft zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen User. Ist dies die größte Herausforderung im Onlinemarketing heute?
Ich bin der Meinung, dass genau dieses Mantra, dass Zeitpunkt, Botschaft und die angesprochene Person schon immer ein Kernpunkt von Werbung war. Heute ist es nur noch wichtiger, da Konsumenten schnell abgelenkt sind und mehr Kontrolle über die Inhalte haben. Gerade auf mobilen Geräten sind wir alle eigentlich Multitasker. Wir filtern Informationen raus, die uns nicht relevant erscheinen, was oft Werbung ist. Und wir müssen Informationen herausfiltern, um wenigstens etwas zu erledigen – und gerade Anzeigen sind ja für Viele unnötig. Es sei denn, diese Anzeige ist in diesem Moment relevant für uns und spricht ein aktuelles Bedürfnis an. In diesem Sinne ist Relevanz wichtiger denn je.
Was wird Ihrer Meinung nach der wichtigste Trend in den nächsten fünf Jahren werden. Sind wir immer noch am Anfang von „etwas Großem”?
Ich glaube, wir sind mitten drin, aber noch lange nicht am Ende. Denn die Entwicklung der Technologie beschleunigt sich immer mehr. In meinen Augen sind die größten Trends in den kommenden Jahren, die die Werbung beeinflussen werden, Spracherkennung, individuelle GEO-Location und AI. Die Kombination dieser drei Felder wird dazu führen, dass Werbungtreibende die Möglichkeit haben auf unsere Wünsche und Bedürfnisse direkt und wirklich personalisiert einzugehen. Werbung wird sich in diesem Kontext vielmehr zu einer Dienstleistung wandeln. Wenn wir wissen, wer wo warum ist, können Werbungtreibende Services und Produkte anbieten, die einen großen Wert haben. Zudem wird sich immer mehr die Möglichkeit herauskristallisieren, dass Werbungtreibende direkt mit Konsumenten in Kontakt zu treten. Erste Anzeigen über IBMs Watson zeigen diesen Weg auf.