Das ist mal eine Nachhaltigkeitskommunikation der Supersonderextraklasse: Die Drogeriemarktkette dm veranstaltet gerade die dm-Zukunftswoche im Kraftwerk in Berlin. In fünf Dialogrunden geht es um die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft, um Nachhaltigkeit und ein gelingendes Miteinander. Gabor Steingart von “The Pioneer” steht ebenso auf dem Programm wie Dr. Eckart von Hirschhausen oder Maria Furtwängler, Stephan Grünewald von Rheingold oder Christoph Kramer von Borussia Mönchengladbach sowie viele weitere prominente Köpfe aus Philosophie, Wissenschaft, Politik und Kultur.
Man muss sagen: ein Hammerprogramm. Zu sehen ist die Hybrid-Veranstaltung seit Montag und noch bis Freitag im Livestream von 18 bis 20 Uhr auf dem YouTube-Kanal von dm oder unter zeit.de/angebote/dm-zukunftswoche. Die bisherigen Aufzeichnungen gibt es hier. Für reichlich Medienunterstützung von “Zeit” bis RTL ist gesorgt.
Ähnlich wie Hamburgs Vorzeigeunternehmer Michael Otto, der sich zu seinem 75. Geburtstag im Jahr 2018 statt einer Geburtstagsparty einen hochkarätig besetzten Kongress zum Thema „Zukunftswerte – Verantwortung für die Welt von morgen“ in der Elbphilharmonie schenkte, macht es auch dm-Chef Christoph Werner: Anlässlich des 50. Jubiläums von dm gibt es kein Fest, sondern eine Woche mit gesellschaftlichen Debatten. Hut ab!
Von Interesse für die ganze Branche
Auch in anderer Sache könnte dm – übrigens gerade als Mitglied Nummer 660 in den Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW) eingetreten – zur Reputation der werbetreibenden Wirtschaft beitragen: Das Landgericht Karlsruhe hatte Ende Juli in einem Rechtsstreit zwischen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und dm entschieden, dass die Drogeriemarktkette ihre Eigenmarken nicht mehr als „klimaneutral“ oder „umweltneutral“ bewerben darf. dm will den Greenwashing-Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen.
Unternehmenschef Christoph Werner sagte dem Südwestrundfunk: „Da die Rechtsprechung im Moment noch versucht zu definieren, was unter den einzelnen Auslobungen zu verstehen ist, sind wir der Meinung, dass die Position, die der Richter bei diesem Prozess eingenommen hat, durchaus überprüfungswürdig ist. Und zwar – wie verstehen Kunden heute eine Auslobung wie ‚klimaneutral‘ oder auch ‚umweltneutral‘. Deswegen haben wir uns entschieden, dieses Urteil noch einmal in einer nächsten Instanz überprüfen zu lassen.“
Die Berufung läuft, das Ergebnis dürfte für die Werbeindustrie interessant werden. Zumal die Frage, wie sich Umweltfreundlichkeit denn nun verständlich, rechtskonform und wirksam kommunizieren lässt, hoch relevant ist. Laut einer aktuellen YouGov-Studie finden es 25 Prozent der befragten Deutschen schwer, „wirklich umweltfreundliche Marken zu erkennen“.
Von „CO2-neutral“ bis „rifffreundlich“
Mit der geplanten Einführung der Green Claims Directive werden die Regeln für Werbung mit umweltbezogenen Aussagen ja voraussichtlich ab 2027 ohnehin drastisch verschärft werden. Marketingverantwortliche sollten schon jetzt eine absolut wasserdichte Beweiskette vorweisen können, wenn sie mit grünen Claims von „CO2-neutral“ bis „rifffreundlich“ werben wollen. Die Verbraucherverbände jedenfalls sind hoch aufmerksam und klagebereit.
Apropos: Am vergangenen Freitag veröffentlichte die DUH ihre jüngste Klage gegen Aldi Nord, Aldi Süd, Lidl, Netto Marken-Discount, Rossmann sowie Franchisenehmer der Handelsketten Edeka und Rewe. Es geht um die Rücknahme von Elektroschrott.
„Überschwängliches Marketing“
Greenwashing der Supersonderextraklasse hat bekanntlich die Fondsgesellschaft DWS betrieben, als sie ihre Anlageentscheidungen als deutlich nachhaltiger darstellte als sie waren. Dafür brummte die US-Börsenaufsicht der Deutsche Bank-Tochter am Montag eine Geldbuße von 19 Millionen US-Dollar auf, wie das Handelsblatt schreibt. Der absolute Kracher: Der heutige DWS-Chef, der jetzt DWS-Chef ist, weil sein Vorgänger wegen des Greenwashing-Skandals seinen Posten räumen musste, erklärt das Ganze mit „überschwänglichem Marketing“ für grüne Investments. Das ist mindestens so verblüffend wie die Erfindung des Begriffs „rifffreundlich“. Hoffentlich wehrt sich das DWS-Marketing.
Ihnen wünsche ich, dass Sie sich nicht gegen fabulierende Vorgesetzte wehren müssen, und habe zum Schluss noch ein Lektüretipp: In seiner Handelsblatt-Kolumne „Rath checkt ein“ nimmt sich Ex-Hotelier Carsten K. Rath diesmal das Six Senses in Crans-Montana vor. Die edle Herberge setzt auf nachhaltigen Luxustourismus, CO2-Abgabe inklusive.