Die Erfolgsgeschichte von Netflix ist schnell erzählt: Das Unternehmen hat sich vom DVD-Verleih zum Streaming-Anbieter entwickelt und setzt mittlerweile auf ein Abo-Modell. Für einen bestimmten monatlichen Betrag können Abonnent*innen unbegrenzt streamen. Während Filmfans also vor 20 Jahren noch zehn Euro für eine DVD bezahlen mussten, gibt es für diesen Preis heutzutage unbegrenzten Zugang zum Streaming-Portal. Wie viel ein einzelner Film oder eine Serie also runtergerechnet kosten, lässt sich wohl irgendwo im einstelligen Cent-Bereich verorten.
Während die Generation der Millennials noch den Übergang weg vom Einzelpreis für Filme hin zur Pauschale mitbekommen hat, wächst die Generation Alpha längst ohne Einzelpreise auf. Was im Audio- und Videobereich längst Normalität ist, findet auch in anderen Branchen Einzug. Es gibt Rasierklingen, Windeln, Kochboxen, Waschpulver und auch Kleidung im Abo. Einmal abgeschlossen, wird im regelmäßigen Rhythmus bezahlt und das Produkt geliefert. Nicht nur der Gang zum Supermarkt oder in den Einzelhandel wird dadurch überflüssig, auch der direkte Preisvergleich im Supermarktregal fällt weg.
Der Psychologe und Neurowissenschaftler Kai-Markus Müller hat untersucht, warum Abo-Modelle so beliebt sind und welche Faktoren und Gefühle eine besondere Rolle dabei spielen.
Herr Müller, was ist Neuro-Pricing und welche Rolle spielt es für Unternehmen?
Beim Neuromarketing im Allgemeinen werden Erkenntnisse aus der Hirnforschung und Psychologie in Unternehmen, also beispielsweise im Bereich Marketing, eingesetzt. Dadurch kann nachvollzogen werden, wie Menschen auf Produkte, Preise und Werbung reagieren. Neuro-Pricing bezieht sich spezifisch auf das Preismanagement: Der Preis ist der wichtigste Hebel der Profitabilität und kann ein Produkt durchaus beeinflussen. Bei Genussmitteln wie Wein oder Schokolade ist bekannt, dass der Preis einen Einfluss darauf hat, wie es schmeckt: Je teurer, desto besser. Es gibt Untersuchungen, die gezeigt haben, dass beispielsweise der Placebo-Effekt bei Schmerztabletten variiert. Auch hier ist es so: Je teurer die Tablette ist, desto besser hilft sie gegen Kopfschmerzen.
Werfen wir einen Blick auf das florierende Geschäft der Abo-Modelle. Warum sind diese so erfolgreich?
Abo-Modelle haben bei den einfachsten Produkten gestartet, das ist das klassische Entry Model. Ein Beispiel: Um früher Musik zu hören, musste man eine CD kaufen. Selbst, wenn man nur ein Lied davon hören wollte und die anderen uninteressant waren. Bei Spotify kann man einzelne Lieder hören und hat einen deutlich leichteren Zugang dazu, weil Musik durch das Internet jederzeit verfügbar ist.
Wieso sind Abos vor allem bei jungen Generationen beliebt?
Früher war es so, dass man für Erledigungen aller Art das Haus verlassen und beispielsweise in die Stadt fahren musste. Jetzt ist es normal, dass man Dinge nach Hause liefern lässt und selbst Kinder das bereits begreifen.
Hat es also auch einen Einfluss darauf, dass beispielsweise die Generation Y, also die Eltern der Generation Alpha, bereits viele Abo-Modelle nutzt und die Kinder damit aufwachsen?
Absolut. In der Psychologie nennt man das „Default-Effekt“. Das bedeutet, dass man immer die Tendenz hat, erstmal das zu machen oder zu übernehmen, was man bereits kennt, wenn es zum Beispiel die Eltern vorleben.
Welche Rolle spielt der Faktor Zeit?
Eine große. Denn durch die Zeitersparnis werden Produkte leichter zugänglich, da die Anschaffung mit weniger Aufwand verbunden ist. Gleichzeitig werden Kund*innen dadurch gebunden, sodass sie einem Produkt beziehungsweise Händler*innen treu bleiben.
Welchen Vorteil haben Abos für die Unternehmen?
Der Handel hatte jahrzehntelang die Macht über Marken und ihre Preise, wenn Artikel beispielsweise reduziert oder für unterschiedliche Preise angeboten wurden. Durch Abo-Modelle werden viele Produkte Direct-to-Consumer vertrieben, wodurch die Preise für das Unternehmen passend kalkuliert werden können.
Und durch das Abo kann langfristig kalkuliert werden.
Richtig. Bei Abos geht es zwar auch immer um die Gewinnung von neuen Kund*innen, aber vor allem um das Halten bestehender Kund*innen.
Wenn wir Spotify als Beispiel nehmen, ist ein Abo deutlich günstiger als eine physische CD-Sammlung. Andersrum sind beispielsweise Kochboxen teilweise im Verhältnis teurer, als wenn ich alles im Supermarkt einkaufe. Wieso funktionieren beide Prinzipien?
Gerade die heranwachsende Generation lebt sehr bewusst und will auch weniger Müll produzieren. Eine wichtige Rolle spielt also auch der moralische Anspruch an das eigene Konsumverhalten.
Das heißt, solche personalisierten Abo-Modelle gehen auf die individuellen Bedürfnisse ein und verhindern dadurch einen Überfluss an Produkten.
Genau. Es wird also auch das Gefühl transportiert, etwas zu bewusstem Konsum und Nachhaltigkeit beizutragen.