Abmahnwellen gegen Influencer und Blogger: Warum plötzlich alles als Anzeige gekennzeichnet werden muss

Influencer haben es dieser Tage schwer. Immer wieder flattern Abmahnungen und Urteile wegen falsch gekennzeichneter Werbung herein. „Richtig so“, werden nun einige denken. Doch die Willkür, mit der Vereine Abmahnungen schicken, zeigt, dass Deutschland endlich einen einheitlichen aktuellen Leitfaden braucht.

Vanessa Blumenthal ist sauer. Genauso wie Bloggerin Vreni Frost. In den letzten Tagen ging es auf Instagram nur um ein Thema: Abmahnungen. Die beiden, selbst von Urteilen gegen sie betroffen, wollen endlich aufmerksam machen, auf die Missstände bei der Werbekennzeichnung auf Instagram.

Egal ob persönliche Empfehlungen, Verlinkung von Freunden oder sonstiges: Zurzeit wird in der Welt der Influencer alles als Anzeige oder Werbung gekennzeichnet.

Influencer kennzeichnen derzeit alles als Werbung

Influencer bekommen nicht nur Produkte kostenlos zugeschickt, sie kaufen tatsächlich auch selbst Artikel. Dieser Unterschied wird gerade bei Instagram nicht mehr ganz klar. Denn: Den Unterschied zwischen einem echten Beitrag und einem Beitrag gegen Leistung können User kaum noch klar erkennen. Denn zurzeit ist alles mit Werbung gekennzeichnet. Schuld daran ist das Urteil gegen Bloggerin Vreni Frost und andere Influencer, die ihre Fälle in ihren Stories austauschen:

 

Abmahnung trotz selbstgekaufter Produkte

Vreni Frost musste dies vor kurzem am eigenen Leib erfahren. Sie postete ein Luftballon-Foto, verlinkte Marken und Online-Shops. Die Bloggerin argumentierte jedoch, es handele sich nicht um Werbung, weil sie für die Posts nicht von den jeweiligen Firmen bezahlt werde. Der Verband Sozialer Wettbewerb, ein Verein der gegen unlauteren Wettbewerb vorgeht, sah das allerdings anders und sendete eine Abmahnung. Frost verstand die Welt nicht mehr. Für sie galt die Regel: Alle bezahlten Partnerschaften muss sie als Werbung kennzeichnen, wie sie es auch in den letzten Jahren getan hatte. Im Prozess am Berliner Landgericht musste Frost jedoch eine Niederlage einstecken. Das Gericht entschied: Markiert die Bloggerin Marken auf ihren Instagram-Bildern, muss sie den Post als Werbung kennzeichnen.

Dr. Martin Gerecke ist Rechtsanwalt bei der Wirtschaftskanzlei CMS und berät Unternehmen und Einzelpersonen im Urheberrecht, Presse- und Äußerungsrecht sowie zum Recht der neuen Medien und sieht das Urteil skeptisch: „Der Sinn sozialer Netzwerke besteht darin, sich mit anderen auszutauschen, sich zu inspirieren und über Verlinkungen, Hashtags und Markierungen Anregungen, Informationen und häufig auch Kritik zu vermitteln. Viele Influencer – gerade im Fashionbereich – interagieren auf diese Weise mit ihren Followern. Die Verlinkung von Marken – genau wie die Verlinkung auf Personen – ist dann häufig nur ein Hinweis auf das Unternehmen, mit dem deren Auffindbarkeit dem Follower erleichtert wird. Eine solche Verlinkung pauschal als Werbung anzusehen verkennt den Zweck von Social Networks.“

https://www.instagram.com/p/Bj-NyjQnX0G/?taken-by=vrenifrost

„Jetzt kommen wir zu dem Punkt, der mich am meisten bei dieser Geschichte interessiert: Was bringt es, wenn wir nun alles kennzeichnen? Denn hier lauern schon wieder rechtliche Fallen auf uns“, erklärt Influencerin Vanessa Blumenthal in ihrer Instagram-Story. Seit Tagen spricht sie das Thema immer wieder an, um andere Influencer vor der Abmahnfalle zu schützen. „Nehmen wir ein Beispiel: Ich trage ein Shirt, wo Levis drauf steht. Levis kennt mich gar nicht und die finden meinen Account sowieso total doof. Jetzt schreib ich drüber, das es sich um Werbung handelt. Das heißt ich erwecke den Anschein, ich würde mit Levis kooperieren. Die finden das aber unlustig, wollen nicht mit mir in Zusammenhang gebracht werden. Jetzt schicken die mir eine Abmahnung und wollen noch Schadensersatz haben, weil ich ihrem Image geschadet habe.“ Es ist nur ein Beispiel, zeigt aber die ganze Misere, in denen die Influencer und Blogger in ganz Deutschland stecken.  Klar ist aber auch: Ein Fall wie ihn Vanessa Blumenthal schildert, gab es bis jetzt noch nicht: „Theoretisch ist es denkbar, dass auch der Inhaber einer Marke einen Influencer abmahnt. Doch häufig schadet sich so die Marke selbst und es könnte zu negativer Berichterstattung kommen. Im privaten Bereich darf auch jeder mit einem Markenlogo rumlaufen, ob es dem Markeninhaber passt oder nicht. Sobald es den Anschein hat, dass jemand auf dem Rücken der Marke eigene gewerbliche Position stärken will, kann der Markeninhaber jedoch dagegen vorgehen. So einen Fall hatten wir bis jetzt allerdings noch nicht“, erklärt Arne Neubauer, Rechtsanwalt bei Osborne Clarke in Hamburg gegenüber absatzwirtschaft. Wenn die ganze Aufmachung nach Werbung schreit, dann spricht einiges dafür, dass die Abmahnung berechtigt ist. „Regel sollte sein: Keine Verlinkungen oder Hashtags zum Unternehmen“, so Neubauer.

Verbände wollen zur einheitlichen Rechtslage beitragen

Influencer müssen zurzeit selbst ihre Freunde als Anzeige kennzeichnen und auch Produkte, die selbstgekauft sind, benötigen ein Etikett. Sonst gibt es Mahnschreiben von Organisationen. Martin Gerecke erklärt, dass erst einmal entscheidend ist, ob es sich um einen kommerziell genutzten Account handelt oder nicht. „Mit dem Urteil des Landgerichts Berlin ist klar, dass Verlinkungen auf Unternehmen als Werbung anzusehen sind, weil – so das Gericht – auch dies bereits objektiv der Förderung des Absatzes des Unternehmens diene und es diesem ermöglicht werde, einem interessierten Publikum seine Produkte zu präsentieren und gegebenenfalls zum Kauf anzubieten. Voraussetzung sei lediglich, dass der Influencer geschäftlich handele, was nach Ansicht des Gerichts bei einem Instragram-Account mit mehr als 50.000 Followern der Fall sei.“

In  Deutschland gibt es Hunderte von Verbänden, von denen jeder andere Regeln hat. Zusätzlich entscheidet jedes Bundesland in Sachen Werbekennzeichnung unterschiedlich. So klingen die Namen der Organisationen, zum Beispiel „Verband sozialer Wettbewerb“, als ginge es ihnen um den Schutz am Konsumenten.

Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (Wettbewerbszentrale) will zur Klärung von Rechtsfragen beitragen.
„Influencer Marketing findet nicht im rechtsfreien Raum statt.“, meint Christina Kiel, Juristin bei der Wettbewerbszentrale. „Influencer, die Schleichwerbung betreiben, wie auch die Unternehmen, für die Schleichwerbung betrieben wird, müssen mit rechtlichen Konsequenzen rechnen.“  Weil etliche Einzelfragen zur Kennzeichnung von Instagram-Werbepostings bisher ungeklärt sind. So gilt die Wettbewerbszentrale neben der Landesmedienanstalt als einzige Instanz der deutschen Wirtschaft, die der Verfolgung wirklich gravierender Wettbewerbsverstöße nachgeht – und das schon seit 1913 als Selbstkontrollorgan. Vergangenes Jahr gaben sie einen Leitfaden für Influencer Marketing heraus. Was sofort auffällt: Oft wird mit Worten wie „könnte“, „sollte genügen“ formuliert. Sicher scheint sich also keiner genau zu sein, wie Werbung in der Timeline und in den Stories gekennzeichnet werden muss. Dazu wird deutlich: Eine aktuelle Version aus 2018 liegt noch nicht vor, auch das Erklär-Video ist bereits zwei Jahre alt:

https://www.youtube.com/watch?v=GINi9-GDsQE

 

Worauf müssen Influencer nun achten? Sollte man Hashtags bei eigens gekauften Artikeln meiden? Wie beweist man, dass Produkte selbst gekauft sind? All das beantworten Anwälte und Verbände der absatzwirtschaft am Dienstag, 26.6.