Herr Boehler, Biontech hat Anfang November den Deutschen Marketing Preis 2022 erhalten. Was bedeutet das Ihrem Unternehmen?
Die Auszeichnung ist eine große Ehre. Vor allem, weil wir das erste pharmazeutische Unternehmen sind, das diesen renommierten Preis erhalten hat. Es ist eine Anerkennung für das gesamte interdisziplinäre Team, das über verschiedene Abteilungen hinweg Unglaubliches geleistet hat, damit der Impfstoff in solch kurzer Zeit und in dieser Qualität Millionen Menschen erreicht.
Ihr Unternehmen hat – unter dem Druck durch die Pandemie – einen beispiellosen Aufstieg hingelegt. Welche Rolle kam dabei dem Marketing zu?
Mit der erfolgreichen Entwicklung und Zulassung des weltweit ersten mRNA-Arzneimittels haben wir Medizingeschichte geschrieben. Für Biontech war es gleichzeitig auch das erste Medikament aus der Pipeline, das auf den Markt gebracht wurde. Bei einer Medikamenteneinführung ist es erforderlich, alle relevanten Informationen über ein neues Arzneimittel verlässlich, klar und konsistent zu kommunizieren. In dieser speziellen Situation mussten wir dies in unglaublich hoher Geschwindigkeit mit so vielen Interessensgruppen wie noch nie zuvor in der Pharmaindustrie absolvieren. Deshalb mussten wir im Marketing dabei oft völlig neue Wege gehen, um die Aufgabe zu meistern – hier haben wir viel auf digitale Lösungen gesetzt.
Was waren die größten Hürden?
Neben den wissenschaftlichen, regulatorischen und logistischen Hürden standen seitens der Vermarktung die Größe der Interessens- und Zielgruppen, die gesundheitspolitische und gesellschaftliche Relevanz und natürlich die Entwicklung unserer eigenen Organisation im Vordergrund, um dies überhaupt angehen zu können. Die Zielgruppen waren weitaus größer und vielschichtiger als bei einer regulären pharmazeutischen Produkteinführung. Wenn wir uns die Situation in Deutschland noch mal vor Augen führen: Mehr als 20 Verteilzentren, 450 Impfzentren, 500 mobile Impfteams, 120.000 medizinische Fachkräfte, 19.000 Apotheken und Millionen zu impfende Personen. Hier waren zum Beispiel digitale Workshops für medizinisches Fachpersonal wichtig, an denen bis zu 5000 Personen pro Session teilgenommen haben.
Inwiefern war die Omnipräsenz von Biontech in der Corona-Krise Fluch und Segen zugleich?
Der politische und gesellschaftliche Druck war außergewöhnlich – nicht nur in Deutschland, sondern global. Jede Aktivität wurde genau beobachtet. Unser Team hat alles getan, um dieser Verantwortung gerecht zu werden. Wir wussten auch alle, wofür wir arbeiten: gemeinsam einen Teil dazu beizutragen, die Pandemie zu bewältigen.
Ist mittlerweile so etwas wie „Normalbetrieb“ eingekehrt?
Es ist immer noch viel zu tun. Gerade mit der Markteinführung der angepassten Impfstoffe sowie der Zulassung für weitere Populationsgruppen. Gleichzeitig haben wir Ressourcen und Strukturen geschaffen, um unsere Organisation weiter zu stabilisieren, Prozesse zu optimieren und die Teams für neue Aufgaben vorzubereiten. Innovation und Digitalisierung spielen dabei selbstverständlich weiterhin eine wichtige Rolle.