Herr Mann, als Pride Month steht der Juni symbolisch für Diversität, viele Unternehmen zeigen ihr Logo in den Regenbogenfarben. Wird hier Haltung gezeigt oder für Abverkäufe gesorgt?
Im besten Fall ist es ein Win-Win: Haltung zeigen und mehr Abverkauf schaffen. Wichtig ist, dass die demonstrierte Haltung auch gelebt wird. Es bringt nichts, seine Logos auf LinkedIn oder Instagram in Regenbogenfarben zu ändern, dies selber aber im Unternehmen nicht oder nur halbherzig zu verankern.
Immer mehr Unternehmen werben mit Diversität, doch nicht alle können ihr Versprechen auch halten. Wie schädlich ist das für uns als Gesellschaft?
Es ist schädlich für die Marke, wenn sie etwas verspricht, was sie nicht halten kann. In Zeiten von Social Media ist das aber wichtig, zumal man als Unternehmen überprüfbarer geworden ist. Ich fände es schädlicher für die Gesellschaft, wenn Diversität nicht in der Werbung stattfinden würde. Aber gerade von jüngeren Konsument*innen wird mehr erwartet als ein niedrigschwelliger Aktionismus.
Wie sieht eine authentische Diversity-Marketing-Kampagne aus?
Diversität in der Werbung ist enorm wichtig, denn es beeinflusst die normative Wahrnehmung einer vielfältigen Gesellschaft. Werbung will per se Aufmerksamkeit und so bekommt auch Diversität die entsprechende Sichtbarkeit. Gleichzeitig kann sie mit Rollenklischees aufräumen. Das heißt nicht, dass Diversität zwingend in jedem Spot dargestellt werden muss.
Wie sieht das bei Ad Alliance aus?
Auch wenn wir Diversitätsthemen das ganze Jahr bespielen, veranstalten wir zusätzlich Themenwochen in unserem Portfolio. Letztes Jahr drehte sich unter dem Motto „Vielfalt verbindet“ alles um die queere Community. In dem Umfeld haben Procter & Gamble und Penny für eine bunte Gesellschaft geworben. Dieses Jahr berichten wir zum Schwerpunkt Inklusion, auch unterstützt von Partnern.
Manche Menschen stört das vermehrte Zeigen von gleichgeschlechtlichen Paaren, Transmenschen oder BlPoC in der Werbung. Können Sie die Ressentiments verstehen?
Nein, das kann ich nicht. Zumal ich nicht das Gefühl habe, dass diese Bevölkerungsgruppen ausreichend vertreten sind. Aber das ist wichtig. Toleranz ist ein Scheinriese: Je mehr man darauf schaut, desto kleiner ist sie. Um noch mehr Toleranz zu bekommen, benötigt es die Selbstverständlichkeit durch Sichtbarkeit. Menschen, die mit diesen Zielgruppen bisher keine Kontaktpunkte haben, empfinden womöglich wenige Darstellungen als übertrieben. Aber darauf sollte vorwärtsgewandte Markenkommunikation keine Rücksicht nehmen.