Es ist das erklärte Ziel vieler Marken, nicht nur gekauft zu werden – sondern geliebt. Kein Wunder, denn Lovebrands haben loyale Kund*innen, die treu und gerne bereit zur Weiterempfehlung sind. Trotzdem sagte Dominique von Matt, der unter anderem Honorarprofessor an der Universität St. Gallen ist, kürzlich auf einer Tagung in Zürich: Die Menschen setzen heute auf andere Werte, „Lovebrands sind aus der Zeit gefallen“. Wir haben nachgefragt.
Herr von Matt, auf der gfm-Trendtagung in Zürich haben Sie gesagt: „Lovebrands sind aus der Zeit gefallen.“ Ist Liebe out – und wenn ja, warum?
Wir sehnen uns nach Vertrauensankern und bevorzugen darum vertraute, berechenbare Marken. Zahlreiche Studien belegen das.
Dominique von Matt
Liebe ist nicht out. Aber mit der Verunsicherung, die wir in diesem Jahrzehnt erleben, wurde Vertrauen viel wichtiger als Liebe. Wir sehnen uns nach Vertrauensankern und bevorzugen darum vertraute, berechenbare Marken. Zahlreiche Studien belegen das. In Deutschland hat sich etwa während der Pandemie die Anzahl derjenigen, die vertraute Marken bevorzugen, in einem Jahr verdoppelt; weltweit sagen 60 Prozent, dass sie in unsicheren Zeiten auf vertraute Marken setzen – und solche Zeiten haben wir jetzt.
Viele Marken wollen aber unbedingt zur Lovebrand werden. Denn diese profitieren laut Studien von einer höheren Preisbereitschaft, mehr Markenbindung und intensiver Weiterempfehlung. Müssen sie umdenken?
Diese Wettbewerbsvorteile schafft der Trustbrand heute noch stärker und nachhaltiger als der Lovebrand. Das Bild ist nur unscharf, weil bei den stärksten Marken Trust und Love oft korrelieren. Generell sind Marken heute wesentlich exponierter. Und in der Krisenresilienz von Marken zeigt sich deutlich, dass Liebe flüchtiger ist als Vertrauen. Ein Beispiel aus der Mode: Abercrombie war eine Lovebrand – Zara ist eine Trustbrand. Beide waren zeitweise massiven Shitstorms ausgesetzt. Zara hat im Gegensatz zu Abercrombie aber nichts an Stärke eingebüsst.
Liebe ist flüchtiger als Vertrauen – warum ist das Thema Vertrauen heute so wichtig?
Erstens wollen Menschen keine Enttäuschung, sondern ein sicheres Erfolgserlebnis. Der Alltag liefert schon genug Unsicherheit. Man will nichts weniger als „satisfaction guaranteed“. Und zweitens kann man im Onlinehandel die Ware nicht physisch prüfen, man muss sich also auf die Marke als Qualitätsgarantie verlassen. Drittens nimmt man einer Purpose-getriebenen Vertrauensmarke ab, dass sie nachhaltig unterwegs ist.
KI macht nicht Liebe wichtiger, sondern Vertrauen.
Dominique von Matt
Und viertens gewinnt im Kontext von Künstlicher Intelligenz generell die vertrauenswürdige Quelle an Bedeutung. KI macht nicht Liebe wichtiger, sondern Vertrauen.
Wie wird man von der Love- zur Trustbrand? Kann man das strategisch angehen?
Die Basis ist ein realistisches und gleichzeitig handfestes Leistungsversprechen, das eingehalten werden kann. In der Kommunikation entscheiden Berechenbarkeit und Expectation Management. Kurz: authentische Markenführung.
Was heisst das für die Kommunikation? Sollen jetzt andere Werte in den Vordergrund rücken?
Unternehmen sollten damit aufhören, sich mit austauschbaren emotionalen Lifestyle-Kampagnen bei Konsumentinnen und Konsumenten einzuschleimen, sondern ein klares Versprechen für ihre Leistung abgeben. Apple zeigt brillant auf, wie man Produktversprechen kommuniziert, ohne zu langweilen.