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Wer die Logik der Wall Street bislang nicht verstanden hat, dürfte nach den jüngsten Quartalszahlen von Google und nun Apple kaum schlauer geworden sein. Der Internetriese verdiente knapp 4 Milliarden Dollar und damit um 17 Prozent mehr. Die Belohnung: Mit einem Kurssprung von 16 Prozent konnte Google vergangenen Freitag den Börsenwert um 65 Milliarden Dollar steigern – mehr als jedes andere Unternehmen zuvor.
Drei Handelstage später war Apple an der Reihe und unterstrich erneut, wie wenig realwirtschaftliche Erfolge ihre Übersetzung an der Börse finden müssen. Apple verdiente im gleichen Zeitraum wie Google gar 10,7 Milliarden Dollar, konnte den Nettogewinn sogar um 39 Prozent steigern – und wurde von der Wall Street doch nach Handelsschluss mit einem sagenhaften Kurseinbruch von in der Spitze 68 Milliarden Dollar bestraft.
This is what losing $68 billion of market cap in 5 minutes looks like. $AAPL http://t.co/M3in2fwRbZ pic.twitter.com/1qRpvZiAc7
— Wallace Witkowski (@wmwitkowski) July 21, 2015
47,5 Millionen iPhones sind nicht genug
Die Erklärung dafür trägt wie so oft fünf Buchstaben: iPhone. Apple konnte von seinem Kultsmartphone zwischen Anfang April und Ende Juni 47,5 Millionen Einheiten absetzen und damit um 35 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum im Vorjahr. Analysten hatten jedoch mit zumindest 49,4 Millionen verkauften Einheiten gerechnet – die sogenannten Flüsterschätzungen lagen gar deutlich über 50 Millionen Stück.
Tatsächlich überrascht die Dynamik, mit der der iPhone 6-Hype abebbt: Im Rekordquartal zu Weihnachten konnte Apple noch 74,5 Millionen iPhones absetzen, im März-Quartal 61 Millionen Stück – und nun nochmals 13,5 Millionen Geräte weniger. Aktionären geht der Rückgang offenbar eindeutig zu schnell.
Weiter Schweigen über Apple Watch-Verkäufe
Unterm Strich konnte Apple dabei ein solides Quartal sogar leicht über den Wall Street-Schätzungen verbuchen: Die Umsätze zogen um in diesen Dimensionen bemerkenswerte 33 Prozent auf 49,6 Milliarden Dollar an; Analysten hatten durchschnittlich mit 49,3 Milliarden Dollar gerechnet. Der Gewinn je Aktie konnte unterdessen um stolze 45 Prozent von 1,28 auf 1,85 Dollar gesteigert werden – die Wall Street hatte 1,80 Dollar je Anteilsschein erwartet.
Die weiteren Konzernsparten entwickelten sich weitgehend wie erwartet: Apple setzte 4,8 Millionen Macs (+ 9 Prozent) und 10,9 Millionen iPads (-18 Prozent) ab – über den exakten Verkaufserfolg der mit Spannung erwarteten Apple Watch schwieg sich Tim Cook indes weiter aus.
2,5 bis 3 Millionen verkaufte Apple Watches realistisch
Finanzchef Luca Maestri ließ zumindest durchblicken, dass sich die Apple Watch in den ersten neun Wochen besser verkauft habe als jedes andere Apple-Produkt. Die Benchmark ist das iPad, das in seinem ersten vollen Quartal 3,27 Millionen Einheiten absetzte.
Unterstellt, dass Apple den Vergleich auf Wochenbasis durchgeführt hat, dürfte die Apple Watch demnach lediglich 2,5 bis 3 Millionen Einheiten verkauft haben – und damit deutlich weniger als die bereits ermäßigten Schätzungen von 4 Millionen Stück hatten vermuten lassen. Immerhin: Tim Cook deutete in der anschließenden Telefonkonferenz an, dass der Absatz – anders als zuletzt berichtet – von Monat zu Monat an Dynamik gewonnen habe.
Anleger zeigten sich von dem Verkäufen des neuen Hoffnungsträgers als eben auch alten Kassenschlagers iPhone schwer enttäuscht und schickten die Apple-Aktie im nachbörslichen Handel in der Spitze um happige 9 Prozent nach unten. Am Ende blieb bei 121,80 Dollar ein Minus von 9 Dollar oder 7 Prozent. Es war nachbörslich der größte Kurssturz seit eineinhalb Jahren. Die zuletzt aufkeimenden Bedenken um Apples Börsenperformance – sie sind über Nacht schlagartig zurückgekehrt.