Herr Bergfeld, weshalb drängen asiatische Marktplätze wie Temu gerade jetzt nach Europa?
In Asien verlangsamt sich das Wachstum, umso interessanter wird für chinesische Händler die westliche Welt. Ein Erfolgsfaktor ist auch, dass viele Europäer*innen angesichts von Krisen und Inflation versuchen, zu sparen.
Temu investiert viel Geld in die Kundenakquisition. Wie lange kann das Unternehmen das durchhalten?
Die Strategie ist bewusst gewählt, es geht um Marktanteile und nicht um Profitabilität. Der erste Sale muss unbedingt stattfinden, er ist wie eine Einstiegsdroge. Später lässt sich die Reichweite monetarisieren. In China hat Temus Schwester-App Pinduoduo zunächst No-Name-Produkte vertrieben und später auf höherpreisige Marken umgestellt. Das könnte auch in Europa passieren.
Was können etablierte E-Commerce-Anbieter von der neuen Konkurrenz lernen?
Vergleichsweise einfach abschauen lassen sich Instrumente zur Steigerung der Customer Experience, zum Beispiel Gamification oder Team Buying als moderne Form der Sammelbestellung. Schwieriger, aber strategisch entscheidend, ist der Aufbau eines agilen, reaktiven Lieferantennetzwerks, um möglichst punktgenau und flexibel die Nachfrage zu bedienen. Das ist nachhaltig, steigert den Umsatz und lässt sich auch im Nearshoring-Bereich umsetzen, etwa in Portugal, Serbien oder der Türkei. Temu ist auch im Bereich Retail Media aktiv und verkauft Keywords an seine Supplier, damit Kund*innen deren Produkte leichter finden können. Da stehen deutsche Händler noch ganz am Anfang.