„75 Prozent sagen, Stillen in der Öffentlichkeit sei okay. 25 Prozent sagen: Packt die Brüste ein. Wie seht ihr das?“
Die neue Werbung von „Baby Dove“ in Großbritannien, eine Hautpflege-Linie von Unilever, erntet seit dieser Woche Kritik von vielen Mutti-Communities. Die zweite Anzeige mit dem Text: „36 Prozent sind dafür ihn zu füttern, wenn er weint, 64 Prozent sind leidenschaftlich dagegen. Was ist dein Weg?“ kommt da auch nicht gerade besser weg.
Britischer Werberat bekommt Beschwerden
Das Unternehmen Unilever ist ein niederländisch-britischer Konzern, besitzt rund 400 Marken in über 14 Kategorien. Rund 58 Prozent des Umsatzes kommt aus den Schwellenländern. Einer der Hauptmärkte ist Großbritannien. Nun muss sich der Konzern mit der Advertising Standards Authority, gleichzusetzen mit dem deutschen Werberat, auseinandersetzen. Laut BBC sind dort rund 151 Beschwerden eingegangen, einschließlich Bedenken, dass die Anzeige ein negatives Bild des Stillens in der Öffentlichkeit verewigt. Viele Blogger-Mums aus GB wollen diese Diskussion überhaupt nicht mehr führen. Anderen Müttern ihre Meinung aufzuzwingen, sie vom Stillen in der Öffentlichkeit abzuhalten, oder auch sie dazu zu ermutigen: Darum geht es den Kritikern nicht. Für sie ist es enttäuschend, dass eine Marke wie Dove solch einen Diskurks aus reinen Marketing-Motiven mal wieder heraufbeschwört.
Die Bloggerin Sarah Turner („The Unmumsy Mum“) schrieb eine offenen Brief an Dove: „Keine Frau sollte sich dafür schämen müssen, in der Öffentlichkeit zu stillen.“ Dove würde mit dieser Kampagne auch Menschen unterstützen, die offensichtlich ein Problem mit stillenden Müttern in der Öffentlichkeit haben und diese diskriminieren.
Diskriminierung von stillenden Müttern
Dies ist ein weiterer wichtiger Kritikpunkt: Dove stellt zwar mit dem Werbeslogan klar, dass es jede Frau selbst entscheiden sollte („We know there’s no right or wrong way to be a parent – only your way.“) doch auch heute noch werden Mütter fürs Stillen in der Öffentlichkeit angefeindet. Somit sehen die Kritiker nicht, dass die Kampagne sich für die Wahlfreiheit einsetzt, sondern eher dazu führt, dass unsichere Mütter nun definitiv nicht mehr in Cafés oder an anderen öffentlichen Orten stillen werden – weil sie sich nicht willkommen fühlen.
Gesetz ist Gesetz
Dabei ist eines in Großbritannien schon viel weiter als in Deutschland: Das Stillen in der Öffentlichkeit ist in England und Wales seit 2010 gesetzlich geschützt. So ist es illegal, eine stillende Mutter zu bitten, einen öffentlichen Ort wie zum Beispiel ein Restaurant zu verlassen. Auch in Schottland darf man eine Person in der Öffentlichkeit am Stillen nicht hindern. Eine solche Gesetzgebung fehlt in Deutschland.
Unilever reagierte indes auch auf die Kampagne: „Wir glauben, dass es viele Möglichkeiten gibt, eine großartige Mutter oder ein Vater zu sein. Unsere Kampagne zielt darauf ab, die verschiedenen Ansätze und Meinungen in Sachen Erziehung zu würdigen, unabhängig davon, ob Mütter in der Öffentlichkeit stillen wollen oder nicht. Das ist letztlich das, was für Sie und Ihr Baby zählt.“
Nicht der erste Shitstorm
In diesem Jahr hat schon im Mai eine weitere neue Kampagne für zahlreiche Debatten im Internet gesorgt. Der Grund: Dove hat bei den Duschgels unterschiedliche Flaschenformen für verschiedene Körpertypen der Frau entworfen. Weltweit zeigten sich Frauen von diesem Einfall allerdings wenig beeindruckt – ganz im Gegenteil. So würden sich kurvige Frauen durch die dicken bauchigen Flaschen verhöhnt fühlen.